Klüger durch den Klimawandel

Wie wurde der Steinzeitmensch zum Homo faber? Bodenproben aus Ostafrika deuten auf einen überraschenden Zusammenhang hin: Der Evolutionsschub kam möglicherweise vom Klimawandel.

Das Olorgesailie-Becken im Süden Kenias ist für Archäologen ein nahezu heiliger Ort. Tausende Steinwerkzeuge haben Wissenschaftler dort ausgegraben. Sie dokumentieren, wie der Mensch im Laufe der Jahrtausende seine handwerklichen Fähigkeiten verfeinerte - und schrittweise zum Kulturwesen wurde.

Steinzeitliche Innovationen

In der Reihe der Funde gibt es einen technologischen Sprung, betont der britische Geologe Richard Owen. „1,2 Millionen bis 500.000 Jahre vor unserer Zeit passierte nichts. In dieser Periode verwendeten unsere Vorfahren immer die gleichen groben Faustkeile aus der Acheuléen-Kultur.“ Die nächstjüngeren Fundstücke datieren die Forscher auf 320.000 Jahre. Und die sehen ganz anders aus: „Sie sind kleiner und viel raffinierter gestaltet. Die Technologie hat sich in diesem Zeitraum komplett verändert.“

Dieser Befund ist bekannt, die älteren Werkzeuge rechnen Archäologen der Frühsteinzeit zu, die moderneren der Mittelsteinzeit. Doch bis jetzt hat niemand untersucht, warum die eine Periode von der anderen abgelöst wurde.

Not macht erfinderisch

Lag es vielleicht an den Umweltbedingungen? Um das zu überprüfen, bohrte Owen mit seinem Team 200 Meter tief in den Boden des südwestlich von Nairobi gelegenen Magadisees - und fand in dem natürlichen Klimaarchiv ein ähnliches Muster: Während der Frühsteinzeit war das Klima im heutigen Kenia stabil, beim Übergang zur Mittelsteinzeit wurde es zunächst trockener und vor allem viel variabler.

Feucht- und Trockenperioden wechselten sich in Folge ab, was unsere Vorfahren wohl vor gröbere Probleme stellte, sagt Owen: Wer überleben wollte, musste sich anpassen, geistige Beweglichkeit war gefragt.

Bohrturm im ausgetrockneten Salzsee

PNAS

Die Bohrstelle im ausgetrockneten Magadisee

Ähnliches hat bereits der Paläoanthropologe Rick Potts in den 1990ern vermutet. Er geht davon aus, dass die Vielseitigkeit des modernen Menschen durch „variability selection“ entstanden ist, durch Anpassung an wechselhafte Bedingungen. Owens Funde scheinen gut zu dieser Hypothese zu passen. An Zufall will der britische Geologe jedenfalls nicht glauben, dafür sei die zeitliche Übereinstimmung von Klima- und Kulturwandel zu auffällig. „Wie es aussieht, hat der Klimawandel unsere Vorfahren erfindungsreicher gemacht.“

Die Beflügelung des menschlichen Geistes müsste freilich auch eine neurobiologische Grundlage gehabt haben. Einen Hinweis darauf hat letztes Jahr die Anthropologin Shelby Putt entdeckt. Sie wies nach: Bei der Herstellung von Steinwerkzeugen werden die gleichen Hirnregionen wie beim Klavierspielen beansprucht.

Robert Czepel, science.ORF.at

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