Krankheiten ärmerer Länder werden zu wenig erforscht

Es wird zu wenig an neuen Medikamenten geforscht, vor allem gegen Krankheiten, die ärmere Länder betreffen. Zu ihnen zählt etwa die Tuberkulose. Das kritisierte Ärzte ohne Grenzen bei einer Diskussionsveranstaltung in Wien.

Jährlich sterben 1,7 Millionen Menschen an Tuberkulose. Damit ist sie laut Ärzte ohne Grenzen die tödlichste Infektionskrankheit. Tuberkulose bricht vor allem durch mangelnde Hygiene, Unterernährung oder ein geschwächtes Immunsystem aus. Betroffen sind daher in erster Linie Menschen in Staaten mit schlechter medizinischer Versorgung und niedrigem Einkommen. Die Behandlung von Tuberkulose war lange Zeit problematisch. „Die Medikamente lösten zum Teil unangenehme Nebenwirkungen aus und waren wenig effektiv“, sagt Dimitri Eynikel von Ärzte ohne Grenzen.

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmen sich auch das Mittagsjournal am 18.10. sowie die Nachrichten.

Link

Zwei Medikamente in 50 Jahren

In den letzten 50 Jahren sind nur zwei neue Medikamente auf den Markt gekommen. 40 Jahre lang sei genau nichts passiert, so Eynikel. Die zwei neuen Medikamente helfen vor allem gegen multiresistente Tuberkulosekeime, wo die üblichen Antibiotika nicht wirken. Ein Problem, das zunimmt. Es fehle aber Forschung dazu, wie die Medikamente richtig zu kombinieren sind, um den größten Erfolg bei geringstem Risiko zu erzielen. „Wir wissen einfach nicht, wie wir die Medikamente zu einer entsprechenden Behandlung kombinieren sollen.“ Abgesehen davon fehlen Medikamente gegen jene Keime, die auf kein Antibiotikum ansprechen.

Zwar wird beispielsweise derzeit in Deutschland ein neuartiges Antibiotikum getestet. Insgesamt ziehen sich aber immer mehr Pharmakonzerne aus der Infektionsforschung zurück - zuletzt Novartis.

Geht es nach Eynikel, so ist der Grund für die schleppende bis rückläufige Forschung und Entwicklung: Mit diesen Krankheiten lässt sich kein Profit machen. Er wirft Pharmaunternehmen vor, in erster Linie für jene Menschen zu forschen, die sich teure Medikamente leisten können. „Investoren brauchen einen gewissen ‚return on investment‘, Tuberkulose passt nicht in dieses Schema, da es vor allem Menschen aus Entwicklungsländern trifft.“ Das treffe auch auf tropische Krankheiten wie Elephantiasis, Flussblindheit oder Ebola zu, die ebenfalls lange von der Forschung vernachlässigt wurden.

Pharmig weist Kritik zurück

Alexander Herzog, Generalsekretär vom Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs Pharmig weist unterdessen die Kritik zurück. „Die Industrie forscht an Krankheiten, die es gibt, und wir forschen unabhängig davon, welche Zielgruppe es ist.“ Jedes Unternehmen habe aber seine eigenen Schwerpunkte. So forschen manche eben wieder an neuen Tuberkulosemedikamenten.

Zudem weist Herzog darauf hin, dass Pharmaunternehmen mit NGOs zusammenarbeiten. „Wir investieren sehr viel in Aufklärungsarbeit und Prävention, aber auch in Forschungsstätten und in klinische Studien in Afrika. Zudem haben zahlreiche unserer Mitgliedsunternehmer Millionen von Medikamentenpackungen gratis zur Verfügung gestellt.“

Statt Spenden fordert Eynikel Strukturänderungen: So sollten unter anderem Patente anders geregelt werden. Derzeit sei es in Europa zu einfach, eine Monopolstellung auf ein Medikament zu bekommen und allein den Preis zu bestimmen, so der Jurist. Zudem appelliert er an die Politik, durch öffentliche Förderungen notwendige Forschungsschwerpunkte zu setzen und die Preise niedrig zu halten. „Zuerst brauche es aber mehr Transparenz. Es ist immer noch schwer nachvollziehbar, wie viel schon von der öffentlichen Hand gefördert wird.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

Mehr zu diesem Thema: