Wie Akupunktur Schmerzen lindert

Hat Akupunktur einen Platz in der westlichen Medizin? Versuche an Mäusen liefern nun ein Argument dafür: Akupunktur führt zur Ausschüttung körpereigener Cannabinoide - und lindert dadurch Schmerzen.

Wenn östliche und westliche Medizin aufeinandertreffen, haben Wissenschaftler zunächst mit einem Übersetzungsproblem zu kämpfen: Laut traditioneller chinesischer Medizin fließt Chi, „Lebensenergie“, entlang der Meridiane des menschlichen Körpers. Was das in physiologischen Kategorien bedeuten könnte, bleibt unklar.

Auf der praktischen Seite ist die Bilanz eine gemischte: Zwar wird die auf der Meridianlehre basierende Akupunktur auch in westlichen Arztpraxen angewandt. Gleichwohl ist die Wirksamkeit derselben laut Cochrane Collaboration in vielen Fällen fraglich.

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich heute auch Wissen aktuell, 23.10., 13.55 Uhr.

Wirkung im Stammhirn

Ein Beitrag zur transkulturellen Verständigung ist dieser Tage im amerikanischen Fachblatt „PNAS“ nachzulesen. Darin berichten Wissenschaftler aus Taiwan von einem erfolgreichen Akupunkturexperiment an Mäusen: Versuchstiere, die am Akupunkturpunkt PC6 des Mittelarmnervs stimuliert worden waren, wiesen danach ein messbar reduziertes Schmerzempfinden auf.

Frau sticht Akupunkturnadeln in die Haut eines Patienten

Imaginechina via AP Images

Das Experiment war einer klassischen Akupunkturbehandlung an Menschen nachempfunden

Den dahinterliegenden Mechanismus können die Wissenschaftler nun erstmals nachvollziehen. Verantwortlich ist offenbar ein körpereigenes Cannabinoid, das durch die Nervenstimulation ausgeschüttet wurde. Dass der Effekt nur durch Endorphine zustandekommt, wie bisher angenommen, ist damit widerlegt. Wie die Forscher in ihrer Studie schreiben, entfaltet sich die schmerzlindernde Wirkung letztlich im Stammhirn, genauer: im sogenannten zentralen Höhlengrau.

Soweit wäre die körperliche Wirkung der Akupunktur in die Begriffe der westlichen Medizin gefasst. Ob das auch für die angenommenen „Energieflüsse“ möglich wäre, können die Forscher aus Taiwan allerdings nicht beantworten. „Das ist eine schwierige Frage“, sagt Studienautorin Lih-Chu Chiou im Gespräch mit science.ORF.at. „Ehrlich gesagt: Ich habe auch keine Ahnung, was ein Meridian sein soll.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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