„Die haben gewusst, wo sie sind“

Frauen waren in der Gestapo-Leitstelle Wien zwar in der Unterzahl, spielten in der Geheimen Staatspolizei des Nazi-Regimes aber teilweise eine wichtige Rolle, wie ein aktuelles Buch zeigt. Konsequenzen gab es keine.

Insgesamt umfasste die Gestapo 900 Mitarbeiter, Frauen gab es 140. Wer sie waren, ist in vielen Fällen unbekannt. Rosa Friedl ist bekannt. Sie war schon 1932 Mitglied der NSDAP und arbeitete auch für die Nazis, als die NSDAP in Österreich verboten war, heißt es in dem Buch „Gestapo-Leitstelle Wien 1938-1945“. Nach dem Anschluss Österreichs wurde sie als jahrelanges, treues Parteimitglied für den Dienst in der Gestapo Wien empfohlen, erklärt eine der Autorinnen Elisabeth Boeckl-Klamper vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. „Rosa Friedl war im Nachrichtenreferat. Das war jenes Referat, das die Spitzel betreut hat. Die Gestapo hat ja die großen Widerstandsorganisationen vor allem durch das Einschleusen von Spitzeln zerschlagen.“ Hier war Rosa Friedl aber nicht nur Sekretärin. „Sie hat ein bisschen mehr gemacht und etwa auch das Geld an die Spitzel ausbezahlt. Sie hatte also direkten Kontakt.“

Laut den wenigen Dokumenten, die den Forschern zur Verfügung stehen, war Rosa Friedl die einzige Frau der Gestapo-Leitstelle Wien, gegen die wegen ihrer Tätigkeit bei der Gestapo nach Ende des Zweiten Weltkrieges ermittelt wurde. Kurz bevor die Polizei 1945 an ihre Tür klopfte, verbrannte sie vermutlich noch Akten in ihrem Ofen, schildern die Autoren. Letztlich wurde das Verfahren 1946 mangels Beweisen eingestellt.

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in der Sendung „Wissen aktuell“ am 24.10. um 13:55.

Buchhinweis

„Gestapo-Leitstelle Wien 1938-1945“ von Elisabeth Boeckl-Klamper, Thomas Mang und Wolfgang Neugebauer. Verlag Edition Steinbauer, ISBN: 978-3-902494-83-2

Schreibkräfte und Putzfrauen

Die anderen Frauen übten wiederum ausschließlich untergeordnete Bürotätigkeiten aus, tippten Vernehmungsprotokolle in ihre Schreibmaschinen, verwalteten tausende Karteien und Akten und machten den Telefon- oder Putzdienst. Tätigkeiten, die bei den Nürnberger Prozessen als nicht kriminell eingestuft wurden, was Boeckl-Klamper kritisiert. „Die haben nicht irgendeinen gewöhnlichen Bürojob gemacht. Die haben ganz genau gewusst, wo sie sind. Die haben die Leute gesehen, die dort zum Teil stundenlang mit dem Gesicht zur Wand und erhobenen Händen gestanden sind und auf ihr Verhör gewartet haben. Jeder hat sie gesehen.“

Zudem vermerkten sie in den Karteiregister, wer in Konzentrationslager deportiert wurde. „Manchmal kam die Todesmeldung nur wenig später, die ebenfalls auf der Karteikarte einzutragen war.“ Manche waren als Schreibkraft sogar bei den Verhören von Gefangenen dabei. Zeugenaussagen zufolge feuerten sie die Beamten an, die Häftlinge misshandelten. „Die Frauen waren durchaus Teil des Apparates. Sie waren halt nur nicht in der Position Schlimmeres anzustellen, denn sie konnten weder Beamtin werden noch in eine Führungsposition kommen", erklärt Boeckl-Klamper.

Übernahme lange vorbereitet

Wie viele in der Gestapo in Wien wurden auch die meisten Frauen 1938 von der Staatspolizei übernommen, die bis zum Einmarsch die Exekutive in Wien innehatte. Dass aus dem staatlichen Polizeiapparat beinah über Nacht vom 11. auf den 12. März die „Geheime Staatspolizei“ der Nazis wurde, war laut Boeckl-Klamper nur möglich, da diese Übernahme lange vorbereitet worden war. Wie die Autoren beschreiben, gab es bereits ab 1934 regen Kontakt zwischen illegalen österreichischen nationalsozialistischen Polizisten und Deutschen Gestapo-Mitgliedern - also Mitgliedern des Geheimen Staatspolizeiamts in Deutschland, in denen auch einige geflohene österreichische Nazis arbeiteten.

Laut der Historikerin war das österreichische Sicherheitswesen schon vor dem März 1938 fest in nationalsozialistischer Hand: „Kaum hat Kurt Schuschnigg am Abend des 11. März seinen Rücktritt im Radio verkündigt, haben sich nationalsozialistische Polizisten offen als solche deklariert und begonnen, alle, von denen sie wussten, dass sie Antinazis sind, hops zu nehmen. In vielen Fällen haben hier wirklich die Untergebenen ihre Chefs eingesperrt.“

Kaum Konsequenzen für Gestapo Mitarbeiter

Am Ende des Krieges gab es zwar einige Versuche, die Verantwortlichen zu fassen. Letztlich blieben aber viele mangels Beweisen verschont. Denn in den letzten Monaten der Naziherrschaft wurden zahlreiche Dokumente im Innenhof des Gestapo-Gebäudes, dem ehemaligen Hotel Metropol, verbrannt.

Zudem haben einige Gestapo-Beamte gegen Ende hin begonnen, Inhaftierte aus taktischen Gründen teilweise besser zu behandeln, erklärt Boeckl-Klamper. „Wie beispielsweise Johann Rixinger, Leiter des ‚Judenreferats‘. Er hat in dieser Funktion ab Ende 1942 auch direkt die Deportationen der noch vorhandenen Juden organisiert.“

Diese Überlebenden traten dann später als Zeugen auf. „Aber als Zeugen natürlich, die wahrheitsgemäß aussagen mussten: ‚Herr Rixinger hat mir geholfen‘. Die anderen waren tot. Man kann also sagen, die Gestapo-Beamten haben letztlich vom Rechtsstaat profitiert. Weil man sie nur für das verurteilen konnte, was man ihnen nachweisen konnte.“ Und das, so Boeckl-Klamper, war zum Teil nicht viel.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

Mehr zu diesem Thema: