Kritik an Open-Access-Plan

Forschung nur noch fördern, wenn ihre Ergebnisse „Open Access“, also frei zugänglich, erscheinen: Das planen 13 wichtige europäische Organisationen – und werden dafür nun in einem offenen Brief scharf kritisiert.

Unterzeichnet wurde er bisher von rund 1.150 Forschern und Forscherinnen aus ganz Europa, darunter auch zwölf aus Österreich.

“Plan S“ hat großen Rückhalt

Die Vorgeschichte: Als Reaktion auf immer höhere Kosten im Verlagswesen hatten die Fördereinrichtungen - darunter auch der österreichische Wissenschaftsfonds (FWF) – im September das Konsortium „cOAlition S“ gegründet. Die Mitglieder verpflichten sich den “Plan S“ zu unterstützen, demzufolge nur noch Studien gefördert werden, die ab dem Zeitpunkt der Publikation für die Öffentlichkeit frei zugänglich sind – und nicht erst nach einer Sperrdauer von sechs bis zwölf Monaten wie heute oft üblich.

Ab 2020 soll der “Plan S“ in Kraft treten, der etwa Publikationen in wichtigen Fachzeitschriften wie „Science“ oder „Nature“ verunmöglichen würde. Auch die Veröffentlichung in sogenannten Hybrid-Zeitschriften, bei denen man das Recht auf Open-Access teuer erkaufen kann, soll nicht mehr gefördert werden.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 14.11., 13:55 Uhr.

Mit an Bord des Konsortiums „cOAlition S“ sind nicht nur die 13 Förderorganisationen, sondern auch die Europäische Kommission und der Europäische Forschungsrat ERC. Dem haben sich vor wenigen Tagen die beiden großen privaten Forschungsstiftungen des Wellcome Trust und der Bill & Melinda Gates Foundation sowie der Jubiläumsfonds der Schwedischen Reichsbank angeschlossen.

“Verletzung der akademischen Freiheit“

Der schwedischen Biochemikerin Lynn Kamerlin, die vor zehn Jahren als Postdoc an der Uni Wien gearbeitet hat und nun eine Gruppe an der Universität Uppsala leitet, geht der „Plan S“ zu weit. Vor wenigen Tagen hat sie deshalb einen offenen Brief veröffentlicht, der den Plan scharf kritisiert. Bisher wurde der Brief von 1.150 Forschern und Forscherinnen unterschrieben (Stand: 14.11.), darunter auch 13 aus Österreich, alle von der Technischen Universität Wien und der Universität Salzburg.

Sie alle stimmen Kamerlins Analyse zu, dass der „Plan S“ die akademische Freiheit verletze, dort publizieren zu können, wo man wolle. Sie fürchten außerdem um die Zusammenarbeit mit Forschern und Forscherinnen in Ländern, die nicht den neuen Regeln folgen – wie den USA und China – und kritisieren die Bevorzugung eines bestimmten Open-Access-Modells („Goldener Weg“).

Prinzipiell unterstützen die Unterzeichner Open-Access und sie glauben auch, dass der „Plan S“ in guter Absicht geschrieben wurde. „Aber er geht zu weit, ist gegenüber Forschern unfair und für die Wissenschaft generell zu riskant“, wie es in der Einleitung des offenen Briefs heißt.

FWF verspricht, Missverständnisse auszuräumen

Für Falk Reckling, den Open-Access-Experten des FWF, sind kritische Kommentare zu der Initiative „natürlich“. Aber: „Die Petition beruht auf einigen Missverständnissen und Spekulationen, die darauf zurückzuführen sind, dass sich die Details zu ‚Plan S‘ noch in Ausarbeitung befinden“, so Reckling gegenüber science.ORF.at. Diese Details würden gerade von einer Task Force des Konsortiums bearbeitet, an der auch der FWF beteiligt ist. Die Ergebnisse sollen noch im Dezember präsentiert werden. „Wir gehen davon aus, dass damit einige kritische Punkte geklärt werden können“, sagt Reckling.

Die vorgeschlagenen Regeln würden auf der einen Seite niemanden abhalten dort zu publizieren, wo er oder sie möchte, versichert der Open-Access-Experte. „Auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass die öffentliche Hand es sich nicht leisten kann jeder Preisforderung von Verlagen nachzukommen.“

Detail am Rande: Der kritische Brief wurde bisher vorwiegend von Chemikern und Chemikerinnen unterschrieben. Das könnte daran liegen, dass die Proponentin selbst eine Chemikerin ist und sich ihr Anliegen im eigenen Umfeld am schnellsten verbreitet. Es könnte aber auch an den Besonderheiten der Disziplin liegen. Denn wie schon eine Umfrage aus dem Jahr 2011 zeigt, ist die Skepsis gegenüber Open-Access in der Chemie am größten.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

Mehr zu dem Thema: