Große Unterschiede in der Versorgung

Immer mehr Menschen erkranken an Krebs, aber immer weniger sterben daran. Bei der Sterblichkeit gibt es in Europa allerdings enorme Unterschiede von Land zu Land. Am schlechtesten schneiden die osteuropäischen Staaten ab.

„Zwischen 1995 und 2012 ist in Europa die Zahl der Krebs-Neuerkrankungen um 30 Prozent gestiegen. Die Krebssterblichkeit fiel um elf Prozent. Von den 2,7 Millionen Neuerkrankungen im Jahr 2016 entfiel ein Drittel auf Menschen im Alter über 75 Jahre“, sagt Nils Wilking vom Karolinska Institut in Stockholm. Bevölkerungszuwachs insgesamt, aber besonders die Zunahme des Anteils von Hochbetagten an der Bevölkerung trage zu der Entwicklung maßgeblich bei, erklärte der Experte bei der Konferenz von Governmental International Affairs (GOIA), der Central European Cooperative Oncology Group (CECOG) und dem Aspen Institute Romania in Wien.

Zersplittertes Bild

Die Situation rund um die Krebserkrankungen ist ausgesprochen komplex. Europa zeigt ein extrem zersplittertes Bild. „In Osteuropa beträgt die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei Brustkrebs 65 bis 75 Prozent. In Nordeuropa sind es 85 bis 90 Prozent, in Großbritannien um die 80 Prozent. Gesundheitszustand der Bevölkerung insgesamt, Diagnose in späten Stadien, Infrastruktur im Gesundheitswesen und bei den apparativen Einrichtungen, Qualität und Quantität des Personals und der Zugang der Patienten zur Medizin sowie zu onkologischen Medikamenten sind für diese Ungleichheiten verantwortlich“, stellt der rumänische Onkologe Alexandru Eniu in einer Videobotschaft die Situation dar.

„Die Problematik spielt sich auf staatlicher Ebene - von der Prävention und Früherkennung bis zum Zugang zur Therapie - ab. Die europäische Arzneimittelagentur EMA lässt innovative und wirksame Krebsmedikamente schnell zu. Doch bis die Patienten sie in den einzelnen Staaten Europas auch vom Gesundheitssystem bezahlt bekommen, können drei Monate bis zehn Jahre vergehen“, erklärt CECOG-Präsident und GOIA-Mitbegründer Christoph Zielinski (Comprehensive Cancer Center/MedUni Wien/AKH) gegenüber der APA. Und noch immer sei das Lungenkarzinom, das durch das Zurückdrängen des Rauchens am besten zu bekämpfen sei, in Europa ein treibender Faktor bei der Zunahme der Zahl der Krebserkrankungen.

Angst vor Kosten

Freilich, in vielen Fällen schauen die Gesundheitspolitiker auf innovative Behandlungsmöglichkeiten bei Krebserkrankungen wegen einiger weniger, extrem teurer Onkologika wie das sprichwörtliche Kaninchen auf die Schlange. Onkologe und Gesundheitsökonom Nils Wilking hat in den vergangenen Jahren mit seinen Studien gezeigt, dass die oft diskutierte „Kostenexplosion“ in der Krebsmedizin eine sehr einfache Sicht der Dinge ist. „In Österreich ist der Anteil der Kosten für Krebs an den Gesundheitsausgaben zwischen 1995 und 2014 von sechs auf 6,8 Prozent gestiegen, in Belgien von 6,6 auf 6,8 Prozent. In Schweden blieb er mit jeweils 6,8 Prozent gleich. In der EU kam es zu einem Anstieg von 5,9 auf 6,1 Prozent.“

Ein bei dieser recht stabilen Situation maßgeblicher Faktor war eine Entwicklung, in der immer mehr Krebspatienten immer länger zu Hause behandelt werden können und viel seltener auf Spitäler angewiesen sind. „Die direkten medizinischen Kosten für Krebs haben sich stabilisiert. Die Ausgaben für Onkologika sind gestiegen, die Ausgaben für den einzelnen Krebspatienten aber gefallen“, sagt Wilking.

science.ORF.at/APA

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