Neues Gesetz, aber kaum Bewegung

Daten sind der Rohstoff der Forschung, in der Medizin ebenso wie in Wirtschaft und Soziologie. Demnächst tritt die Novellierung des Datenschutzgesetzes in Kraft. Die staatlichen Datenbanken bleiben für die Wissenschaft dennoch großteils verschlossen.

Von der Gesundheit über die Demographie bis hin zu Bildung, Arbeitsmarkt und Wirtschaft - die Palette an Themen, für die Forscherinnen und Forscher gerne Zugang zu Datenbanken in Ministerien und anderen Behörden hätten, ist breit. Der Wirtschaftsforscher Harald Oberhofer beispielsweise hätte schon eine Idee für ein konkretes Projekt: „Ich würde mir gerne die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen anzuschauen. Wie gut ist die österreichische Wirtschaft im internationalen Kontext aufgestellt?“

Ö1 Sendungshinweis:

Über das Thema Registerforschung berichten auf die Journale und „Wissen Aktuell“ am 26.11.2018.

Aber: Antworten auf diese Frage kann der Wirtschaftsforscher nicht geben, denn er hat keinen Zugang zu Unternehmensdaten. Sie liegen teils bei Statistik Austria, teils bei Ministerien und Förderagenturen, Registerforschung zu diesem Thema unmöglich. Dabei gibt es Vorbilder in Europa, Harald Oberhofer verweist auf Dänemark, das anonymisierte Unternehmensdaten für Forschungszwecke zur Verfügung stellt: „Österreich ist im Vergleich zu anderen Ländern innerhalb der europäischen Union relativ weit hinten.“ Und das wird sich nach jetzigem Informationsstand auch nicht grundlegend ändern, wenn am 1. Jänner 2019 jene Gesetzesnovellierung in Kraft trifft, die Forschung mit Daten des Staates erleichtern sollte.

Pilotprojekt im Wissenschaftsministerium

Bisher plant laut Recherchen von Ö1 nur das Wissenschaftsministerium, Register für die Forschung freizugeben, konkret anonymisierte Studierenden-Daten. Sektionschefin Barbara Weitgruber: „Ein Thema ist die Nutzung der Daten der Absolventen und Absolventinnen, um etwa Karriereverläufe anzuschauen, um auch nach Fachrichtungen untergliedert zu sehen, wie sich die Mobilität je nach Fachrichtung unterscheidet.“

Eine E-Card, im Hintergrund das "elga"-Logo

APA/Helmut Fohringer

Forschung mit Elga- oder E-Card-Daten? Das Gesundheitsministerium sagt dazu nichts.

Dabei handle es sich um ein Pilotprojekt, so die Sektionschefin. Dass das Wissenschaftsministerium hier mit gutem Beispiel voran gehe, liege auf der Hand: „Das Ressort, das für Forschung zuständig ist, gibt auch die ersten Register frei. Außerdem können wir dadurch den anderen Ministerien sagen, welche Vorarbeiten bei uns notwendig waren und was technisch umgesetzt werden kann.“ Vor allem die Medizin hatte gehofft, ganz neue Forschungsfragen mit Registerdaten angehen zu können, zum Beispiel wo sich welche Krankheiten häufen, wie Umweltverschmutzung, Lebensstil und Einkommen damit zusammenhängen. Eine Freigabe von anonymisierten Gesundheitsdaten scheint derzeit völlig vom Tisch, das zuständige Ministerium lässt eine diesbezügliche Anfrage von Ö1 unbeantwortet.

Statistik Austria mit „dänischem Modell“

Es geht der Wissenschaft, die sich in der „Plattform Registerforschung“ zusammengeschlossen hat, aber nicht nur um Daten bei öffentlichen Stellen. Sie fordern auch einen besseren Zugang zu Daten von Statistik Austria - und zwar Roh- bzw. Mikrodaten, die noch nicht für Auswertungen zusammengefasst, „aggregiert“ worden sind. Beim Generaldirektor von Statistik Austria, Konrad Pesendorfer, stößt dieses Anliegen auf durchaus offene Ohren, dafür brauche es aber drei Voraussetzungen: „Erstens brauchen wir eine Rechtsbasis, die das erlaubt; zweitens eine Infrastruktur, über die die Forscherinnen und Forscher leicht auf Daten zugreifen können, die gut aufbereitet sind; und drittens brauchen wir eine sehr intensive Betreuung von Seiten der Statistik.“

An der Rechtsbasis in Form eines novellierten Bundesstatistikgesetzes wird gerade gearbeitet, Infrastruktur in Form eines sicheren Fernzugangs („remote access“) und Betreuung sind aber kosten- und personalintensiv, und hier müsse man erst ein Modell finden, so Pesendorfer. Er verweist ebenfalls auf Dänemark, wo die nationale Statistik-Organisation ein eigenes Datenzentrum betreibt. 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bearbeiten die Anfragen der Forschung, stellen Rohmaterial für Studien zur Verfügung - und schreiben dafür Rechnungen: „In Dänemark werden bis zu drei Viertel der Kosten, die aus der Arbeit im Data Center anfallen, durch Gebühren abgedeckt, die die Wissenschaft bezahlt. Den Rest übernimmt meist der Staat, dadurch erhält sich das System selbst.“

Registerforschung für „bessere“ Politik

Gesundheit, Wirtschaft, Bildung, Arbeitsmarkt - zu jedem Thema könnte Statistik Austria der Forschung Daten zur Verfügung stellen. Der Generaldirektor von Statistik Austria formuliert es als „Ziel“, dass 2019 die Grundlagen dafür geschaffen werden. Dass sich im nächsten Jahr in Sachen Registerforschung in Österreich etwas tut, darauf hofft auch Michael Stampfer, Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) - und zwar aus Blick des Standorts: „Es braucht gute und vor allem für die Wissenschaft zugängliche Register, um international herzeigbare Ergebnisse produzieren zu können“, so Stampfer im Interview mit Ö1.

Der WWTF fördert mit jährlich rund 13 Millionen Euro Projekte in Wien - knapp die Hälfte geht in die Bereiche Medizin und Lebenswissenschaften, hier sieht Stampfer großes Potenzial für die Registerforschung: „Wenn es um Prävention geht, um die Gesundheit ganzer Bevölkerungsteile, ganzer Altersgruppen - dafür sind Register immens wichtig.“ Denn für solche großen, epidemiologischen Studien muss man Daten verknüpfen können. Nur aus dem großen Blick könne man Trends ablesen und Fakten von Behauptungen unterscheiden: „Wo sind Bereiche, wo wir investieren müssen, und wo sagen zwar manche Lobbygruppen, dass es gut wäre zu investieren, aber es gibt eben wenig Evidenz dafür?“ Registerforschung kann Antworten darauf liefern, deshalb sieht sie der Geschäftsführer des Wiener Wissenschaftsfonds als Chance für eine bessere Politik - nun gelte es, diese Chance auch zu nutzen.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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