Forscher: Erste Gentech-Babys geboren

Nach Angaben chinesischer Forscher sind vor einigen Wochen die ersten gentechnisch veränderten Babys auf die Welt gekommen. Sollte sich das bewahrheiten, wäre das ein revolutionärer Akt mit großen ethischen Fragezeichen.

Bis jetzt gibt es keine wissenschaftliche Dokumentation oder Studie zu der Behauptung des Biotechnologen Jiankui He von der South University of Science and Technology in Shenzhen. Spärliche Informationen finden sich allerdings im chinesischen Register für klinische Studien.

Laut Nachrichtenagentur AP hat He mit Hilfe der „Genschere“ CRISPR/Cas9 Erbanlagen von sieben Embryonen „eingeschaltet“, die gegen das HI-Virus schützen. Die Forscher zielten dabei auf das Gen für den CCR5-Rezeptor ab, an den sich HI-Viren für eine Infektion der Zelle anheften. Menschen ohne funktionales CCR5-Protein stecken sich nicht mit dem Virus an - ein berühmtes Beispiel ist der „Berlin-Patient“ Timothy Ray Brown.

Die Versuche fanden im Rahmen von künstlichen Befruchtungen statt, aus der bisher eine Schwangerschaft entstand. Im November seien auf diese Weise zwei Zwillingsmädchen geboren worden. „Zwei wunderschöne kleine chinesische Mädchen namens Lulu und Nana kamen weinend und so gesund wie jedes andere Baby zur Welt“, sagte der Forscher He in einem am Sonntag auf YouTube verbreiteten Video.

Die Eltern wollen nicht identifiziert und interviewt werden, meinte He gegenüber der AP, er würde auch nicht verraten, wo sie sich aufhalten. He machte seine Angaben knapp vor Beginn einer Fachtagung an der Universität Hongkong. Beim „Second International Summit on Human Genome Editing“ treffen sich ab Dienstag Pioniere der Gentechnik.

In Österreich und vielen anderen Ländern sind derartige Manipulationen an menschlichem Erbgut verboten, weil die Risiken bisher kaum abschätzbar sind und Veränderungen an nachfolgende Generationen weitergegeben werden. In China hat man offenbar weniger ethische Bedenken. „Die Forschung scheint von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften zumindest nicht ungedeckt zu sein“, sagte Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats. „Es liegt nahe, zu vermuten, dass es hierbei auch darum geht, die Führerschaft der Chinesen im Bereich Lebenswissenschaft zu demonstrieren.“

„Wir glauben, dass das ethisch ist“

Die Kinder vor einer möglichen HIV-Infektion durch ihre Eltern zu schützen, war allerdings nicht die Motivation - dafür gibt es andere, einfache und risikoarme Wege. „Das Verfahren ist nicht vergleichbar mit einer Impfung, die einen hohen Schutz bieten soll“, erklärte Dabrock. Bei einem der Zwillinge habe sich schon in der Petrischale gezeigt, dass die Manipulation nicht zum Tragen gekommen sei. Trotzdem seien beide Embryonen eingepflanzt worden. „Auch das ist ein Beleg dafür, dass es ihm (He Jiankui, Anm.) nicht um eine Therapie oder einen Heilversuch geht.“

Grafik zur Genschere

Graifk: APA/ORF.at; Quelle: APA

Mehrere von der Nachrichtenagentur AP befragte US-Wissenschaftler konnten weder bestätigen, dass die Methode überhaupt funktioniert, noch, dass sie mögliche Schäden verursachen könnte. Es sei auch unklar, ob die Studienteilnehmer über potenzielle Risiken informiert waren. Denn die Einverständniserklärungen etwa seien unter dem Titel „AIDS-Impfungsentwicklung“ gestanden.

Weitere Schwangerschaftsversuche sind laut He nicht geplant, er möchte vorerst die Sicherheit der aktuellen Resultate überprüfen und die Zwillingsmädchen bis zum 18. Lebensjahr medizinisch begleiten. Seine Forschung sei beim Ethikrat des Harmonicare Women’s and Children’s Hospital in Shenzen genehmigt worden, sagte He. “Wir glauben, dass das ethisch ist,” wird Lin Zhitong, der Vorsitzende des Ethikrats, von der AP zitiert.

„Verstößt gegen Menschenrechte“

Dem widersprechen eine Reihe anderer Experten und Expertinnen. Christiane Druml, Vorsitzende der Österreichischen Bioethikkommission, sagt: „Falls der Bericht in dieser Form stimmt, dann kann man nur sagen: Dies ist ein verantwortungsloses Experiment am Menschen. Dinge dieser Art sollten zwar erforscht werden können, aber eine Implantation eines derartigen Embryos in den Körper einer Frau sollte ausgeschlossen sein, weil zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Nachweis existiert, dass diese Technik sicher ist.“

Grafik zur Genschere

Graifk: APA/ORF.at; Quelle: APA

„Bei den Experimenten handelt es sich um unverantwortliche Menschenversuche“, erklärte Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, zu der Verkündung. „Ob es stimmt oder nicht, was der chinesische Forscher He behauptet: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind solche Versuche und auch Ankündigungen auf Schärfste zu kritisieren.“

Und Christiane Woopen, die Vorsitzende des Europäischen Ethikrates (EGE), meinte, dass es „die überwältigende Mehrheit der Forscher aus wissenschaftsethischen Gründen für unverantwortlich hält, zum jetzigen Zeitpunkt mit CRISPR veränderte Embryonen für die Fortpflanzung zu verwenden. Ein solcher Eingriff verstößt gegen internationale Menschenrechtsdokumente. Die chinesischen Forscher haben Menschenrechte verletzt und der Vertrauenswürdigkeit der Wissenschaft schweren Schaden zugefügt. Das sollte die internationale Gemeinschaft nicht dulden.“

Uni des Forschers ist „schockiert“

Ihm sei bewusst, dass seine Arbeit Diskussionen auslösen werde, erklärt He in seiner Videobotschaft. „Aber ich glaube, Familien brauchen diese Technik.“ Es gehe ihm nicht darum, Kinder zu erschaffen, deren IQ erhöht und deren Haar- und Augenfarbe ausgewählt werden kann, sagte er. Genveränderungen sollten „ein Instrument der Heilung“ bleiben: „Eltern wollen kein Designer-Baby, sondern nur eines, das nicht von Krankheit betroffen ist.“

Klar ist jedenfalls: He hält mehrere Patente für Techniken zur Veränderung von Erbgut, handfeste finanzielle Interessen dürften daher zumindest Teil seiner Motivation sein. Studiert hat der Forscher an den Universitäten Rice und Stanford in den USA, bevor er in seine Heimat zurückkehrte und die Leitung eines Labors an der Southern University of Science and Technology in Shenzen übernahm. Laut chinesischen Staatsmedien besitzt er auch eine Firma für Gentestgeräte.

Die Shenzhener Universität, an der He forscht, wies am Montag jedes Wissen über seine Experimente zurück. „Wir sind zutiefst schockiert“, hieß es in einer Mitteilung. Die Forschungsarbeiten wurden demnach außerhalb der Universität durchgeführt. Auch habe He die Hochschule nicht über seine Arbeit unterrichtet. He habe „ernsthaft gegen die akademische Ethik und akademische Normen“ verstoßen. Ein Gremium sei damit beauftragt worden, eine eingehende Untersuchung des Falls durchzuführen.

science.ORF.at/dpa

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