44 Schmetterlingsarten entdeckt

Kaum zu glauben, aber wahr: Noch immer gibt es viele unentdeckte Schmetterlingsarten, sogar in Europa. Insgesamt 44 Arten hat ein Team mit Tiroler Forschern entdeckt – und ihnen zum Teil kuriose Namen gegeben.

„Megacraspedus armatophallus“, also „bewaffneter Phallus“, heißt etwa ein Falter, der in Afghanistan aufgestöbert wurde. „Weil sein Geschlecht aussieht wie ein Revolver“, wie Peter Huemer, Kustos der Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen, erklärt. Ebenfalls aus dem kriegsgetränkten Land stammt „Megacraspedus pacificus“, ein Schmetterling als „Friedensbotschafter.“

Huemer hat mit seinem Kollegen Ole Karsholt vom Zoologischen Museum der Universität Kopenhagen soeben eine Studie veröffentlicht, in der sie die 44 entdeckten Arten beschrieben und benannt haben. 22 der Schmetterlinge kommen in verschiedenen Regionen Europas vor. Eine ähnliche Fülle von unbekannten Falterarten auf diesem Kontinent wurde zuletzt vor 130 Jahren in einer einzelnen Veröffentlichung beschrieben.

Megacraspedus faunierensis

Jürg Schmid

Megacraspedus faunierensis, eine Art, die in den Alpen entdeckt wurde

“Sensationell und völlig unerwartet“

„Die Vielfalt an entdeckten Schmetterlingen in einer so gut untersuchten Region der Erde ist sensationell und kommt völlig unerwartet“, so Peter Huemer. Die Forscher sehen darin einen Beweis, „dass trotz dramatischer Rückgänge vieler Insektenpopulationen selbst die grundlegende Erfassung der Artenvielfalt noch lange nicht abgeschlossen ist“.

Geografisch am nächsten zu den Tiroler Landesmuseen liegt die Art „Megacraspedus teriolensis“ oder „Tiroler Palpenfalter“, die in Südtirol entdeckt wurde. Die anderen 21 Arten stammen aus verschiedenen europäischen Ländern, von Spanien bis Bulgarien. Weitere 22 Arten wurden auf anderen Kontinenten entdeckt.

Sie alle gehören zur Familie der Palpenfalter (Gelechiidae), in die Gattung der Großpalpenfalter (Megacraspedus). Mit Flügelspannweiten von acht bis 26 Millimeter sind sie eher klein und meistens unscheinbar gefärbt. Ein besonderes Merkmal der Gruppe sind die oft kurzen Flügel und eine damit verbundene Flugunfähigkeit der Weibchen. Die Ursachen für diese Flügelreduktion seien unbekannt. Da viele Arten im Hochgebirge und teilweise auf 3.000 Metern Seehöhe leben, könnte es sich um eine Anpassung an stürmische Windbedingungen handeln.

Megacraspedus teriolensis

Tiroler Landesmuseen

Präpariertes Exemplar eines Megacraspedus teriolensis

Fünf Jahre Recherche

Auslöser der Studie war die in den Südtiroler Alpen entdeckte Art von Palpenfaltern, die vorerst nicht zuzuordnen war. Um alle Neuentdeckungen abzusichern, waren nach Angaben der Forscher fünf Jahre lange Recherchen an Originaltieren aller bisher bekannten und verwandten Arten in zahlreichen Museen, von Paris und London bis Budapest, nötig.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1 Nachrichten, 29.11., 17:00 Uhr.

Neben klassischen Methoden der Artabgrenzung wie Farbe, Zeichnung und anatomische Merkmale wurden auch neueste genetische Methoden angewendet. Denn für die meisten Arten würden genetische Fingerprints in Form von DNA-Barcodes vorliegen.

Weltweit erst ein Drittel beschrieben

Eine besondere Herausforderung für das Forscherteam sei aufgrund der Vielzahl der neuen Arten deren Namensgebung gewesen. So sind auch Kollegen oder beispielsweise die Tochter eines der beiden Autoren zu Ehren gekommen – weshalb es nun auch die Art „Megacraspedus Trineae“ gibt.

Weltweit sind zurzeit rund 180.000 Arten beschrieben, in Europa über 10.000, etwa 4.000 in Österreich, sagt Peter Huemer. Schätzungen gingen davon aus, dass es insgesamt eine halbe Million von ihnen geben muss, also erst rund ein Drittel beschrieben sei.

Übrigens: Auf Wikipedia und anderen Webseiten wird die Schmetterlingsfamilie als Palpenmotten bezeichnet – laut Peter Huemer ist das nicht korrekt, denn diese hätten nichts mit den oft als schädlich empfundenen Motten zu tun.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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