Eine Frage der Ethik

Dass chinesische Mediziner das Genom von Zwillingen möglicherweise mit einer Genschere manipuliert haben, hat in den letzten Tagen weltweit für Kritik gesorgt. Doch was ist in Sachen künstlicher Elternschaft schon jetzt erlaubt? Wie zieht man diese ethischen Grenzen?

Vor drei Jahren wurde das Fortpflanzungsmedizingesetz in Österreich novelliert. Damit sind heute viele Verfahren erlaubt, die zuvor verboten waren. Möglich ist zum Beispiel in Ausnahmefällen die Spende von Eizellen ebenso wie die Präimplantationsdiagnostik - also jenes Verfahren, mit dem der Embryo bei einer künstlichen Befruchtung vorab z.B. auf Erbkrankheiten untersucht wird. Den Kinderwunsch durch eine künstliche Befruchtung erfüllen können sich seit 2015 auch gleichgeschlechtliche Paare. Nicht allerdings alleinstehenden Frauen. Letzteres sieht der Medizinethiker Dieter Birnbacher von der Universität Düsseldorf kritisch. „Wir kennen Frauen, die ihren Zeugungspartner nicht weiter beachten. Die haben ein Kind, weil sie ein Kind haben wollen und keinen Partner. Sie wollen auf sich gestellt bleiben. Warum soll ein künstliches Verfahren hier einen Unterschied machen?“

Unterschiedliche Regelungen in EU

Generell gleicht Europa hinsichtlich dessen, was erlaubt ist und was nicht, einem Fleckerlteppich. So ist die umstrittene Leihmutterschaft etwa in Großbritannien, Griechenland und Portugal erlaubt, in Österreich und Deutschland aber verboten. Die Eizellspende ist wiederum in Tschechien liberaler geregelt als in Österreich, in Deutschland wiederum rechtswidrig. Das führe letztlich auch zu einer Art Fortpflanzungstourismus in Europa, kritisiert Birnbacher. Man fährt also dorthin, wo das erwünschte Verfahren erlaubt ist.

Veranstaltungshinweis

Dieter Birnbacher spricht im Rahmen der Tagung "Zukunft der Elternschaft im Josephinum in Wien, 28. - 29.11.

Ö1-Sendungshinweis

Diesem thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 29.11.

Um dem Tourismus entgegenzuwirken bräuchte es einheitliche Regelungen zum Beispiel, um zu verhindern, dass Frauen in vor allem ärmeren Ländern ausgebeutet werden: „Man sollte möglicherweise auch Bestimmungen einführen, dass die Leihmutter im Inland gefunden werden muss und dann durchaus auch ein Naheverhältnis zu dem Kind entwickeln kann.“ Ob ein europaweites Fortpflanzungsmedizingesetz realistisch ist? Vermutlich nicht. „Wir haben mit Irland und Polen ausgesprochen katholische Länder, mit Skandinavien und den Niederlanden eher liberale Regelungen.“ In anderen Ländern wie Deutschland, Italien und Frankreich sind die Konflikte zwischen den Lagern wiederum zu groß, um sich überhaupt auf neue Regelungen einigen zu könnte, so Birnbacher.

Was ist ethisch?

Ob etwas in der Fortpflanzungsmedizin als ethisch gilt oder nicht, richte sich für Birnbacher letztlich danach, ob die Chancen die Risiken einer Methode für Eltern, Kind sowie die Gesellschaft überwiegen. Aus diesem Grund kann es auch nicht erlaubt sein, Embryonen mit einer Genschere wie CRISPR/Cas9 genetisch zu manipulieren. Die Risiken sind einfach zu groß und man ist weit davon entfernt, abschätzen zu können, welchen Einfluss der Eingriff auf andere Genabschnitte hat.

Argumente wie, das sei nicht natürlich, lässt der Ethiker hingegen nicht gelten. „Es ist eine rein kulturelle Sache. Denn in vielen Bereichen wie zum Beispiel in der Therapie von Erkrankungen dürfen wir sehr künstlich sein - warum darf also im Bereich der Fortpflanzung Künstlichkeit keine Rolle spielen, wo es doch um ein ziemlich natürliches Bedürfnis geht - nämlich eigene Kinder?“

Generell seien Verbote in der Fortpflanzungsmedizin wenig zielführend, so Birnbacher. Er fordert aber klare Rahmenbedingungen. „Bei der Eizellenspende ebenso wie bei der Leihmutterschaft muss man durchaus darauf achten, dass es nicht zu einer Art Berufstätigkeit wird. Hier kommt es immer wieder zu Exzessen. So sind Fälle bekannt, wo Medizinstudentinnen in den USA damit ihr Studium finanzieren.“ Vermeiden könnte man solche Entwicklungen etwa durch Zusatzregelungen, wonach die Eizellspende aus dem Verwandten- oder Bekanntenkreis beschränkt wird, schlägt der Medizinethiker vor. Ist das Risiko einer Methode allerdings zu groß, sind Verbote notwendig: So beim reproduktiven Klonen von Verwandten beispielsweise sowie bei der Genschere.

Aufklärung über Risiken und Erfolgschancen

Kritik äußert Birnbacher letztlich aber auch gegenüber Ärzten. Zu oft werde der Erfolg einer Methode falsch vermittelt, wie etwa in der Praxis des Social Egg Freezings - also bei der Entnahme von eigenen Eizellen für eine mögliche Befruchtung im späteren Lebensalter. „Ärzte empfehlen eine Entnahme vor 35, weil danach die Eizellen unter Umständen nicht mehr so fruchtbar sind. Bereits heute liegt aber das Durchschnittsalter bei der Entnahme bei 38. Das heißt, da läuft in der Aufklärung unter Umständen etwas falsch.“ In Österreich ist die Methode nur in Ausnahmefällen möglich.

Abgesehen davon scheint klar, Verbote garantieren nicht, dass die Methoden tatsächlich nicht durchgeführt werden, wie das Beispiel der chinesischen Zwillinge deutlich macht. „Man findet vermutlich immer jemanden, der einem seinen Wunsch befriedigt“, so Birnbacher. Dennoch sei ein ständiger internationaler Diskurs wichtig, um die Grenze von ethisch und unethisch so greifbar wie möglich zu machen.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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