Stachelig, aber wertvoll

Erdöl ist wegen seiner klimaschädlichen Wirkungen als Treibstoff und Grundlage für Kosmetika und Plastik umstritten. Ein italienisches Projekt forscht nun an einer Alternative: Eine stachelige Artischocke liefert erste positive Ergebnisse.

Die Kardonenartischocke kann bis zu zweieinhalb Meter hoch werden. Sie hat große, stachelige Blätter und blüht blau-violett, ähnelt mehr einer Distel als einer essbaren Artischocke. Trotzdem bedeckt diese Pflanze mittlerweile eintausend Hektar auf Sardinien, so Luigi Capuzzi, Leiter des Projektes First2Run: „Wir wollen so viele Samen der Kardonenartischocke gewinnen, dass wir sie industriell sinnvoll verarbeiten können.“

Ö1 Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Journale am 28.12.2018, 12 Uhr. Die Reise zur Konferenz „EU research an innovation in our daily life“ erfolgte auf Einladung des Europäischen Parlaments.

Auf die Kardonenartischocke hat man gesetzt, weil der Boden um die Ortschaft Porto Torres im Nordwesten Sardiniens steinig und trocken ist. Kaum ein anderes Gewächs kommt mit diesen widrigen Verhältnissen so gut zurecht. Außerdem ist die Kardonenartischocke kein klassisches Nahrungsmittel wie etwa Mais und Zuckerrohr - auch aus ihnen kann man Öl bzw. Treibstoff herstellen, was aber ethisch umstritten ist, leiden doch weltweit Millionen Menschen Hunger.

Dieses Problem gibt es bei der Kardonenartischocke nicht, nur sehr selten wird ihr Stängel als eine Art Gemüse verwendet. Umso vielseitiger ihre Verarbeitung in der Fabrik: Aus den Samen kann man Öl machen, aber auch andere Produkte wie Schmiermittel, Kosmetik und biologisch abbaubaren Plastikersatz. Sogar eine Art Mehl kann man aus den Resten der Samen gewinnen - nicht für den Menschen, aufgrund seines hohen Eiweißgehalts könnte es sich aber als Tierfutter eignen.

Belebt die gesamte Region

First2Run ist mehr als ein Forschungsprojekt zur Kardonenartischocke. Es belebt auch die Region, baut auf alter Infrastruktur auf, gibt Menschen wieder Arbeit. Denn in Porto Torres steht eine alte petro-chemische Fabrik, 2011 geschlossen, 2014 wiederbelebt unter anderem durch die Kardonenartischocke. „Durch eine neue Technologie konnten wir die alte Anlage wieder in Betrieb nehmen, Menschen anstellen und ihre Kenntnisse nutzen“, so Luigi Capuzzi.

Die Fabrik, in der die Samen der Kardonenartischocke verarbeitet werden

Projekt First2Run

Die Fabrik, in der die Samen der Kardonenartischocke verarbeitet werden

Denn die Menschen in der Region wissen, wie die Maschinen der Fabrik zu bedienen sind, wenn Öl verarbeitet wird. Dazu lernen mussten alle, was Anbau und Ernte der Kardonenartischocke betrifft - ohne Förderung von der Europäischen Union wäre das laut Projektleiter Capuzzi nicht möglich gewesen.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft