„Älteste Heilige Österreichs“ identifiziert

Vor 27 Jahren wurde in Kärnten eine Reliquie entdeckt, nun konnten Forscherinnen die Knochen identifizieren: Sie gehörten einer Frau, die im ersten Jahrhundert lebte und womöglich die älteste Heilige Österreichs ist.

Archäologen hatten die Knochen 1991 auf dem Hemmaberg in Südkärnten unter dem Altar einer Kirche gefunden, Forscherinnen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) untersuchten ihn seit 2016. Gemeinsam mit einem Team aus Geologen, Althistorikern und Restauratoren konnten die ÖAW-Archäologinnen Sabine Ladstätter und Michaela Binder die Identität der Frau jetzt teilweise rekonstruieren. Dass sie als Heilige verehrt wurde, leiten die Forscherinnen aus der Art ihrer Beisetzung in einem Reliquienschrein ab. Es gibt allerdings keine historischen Aufzeichnungen, die verraten, um welche Heilige es sich gehandelt haben könnte.

Das Skelett der "Heiligen" vom Hemmaberg

ÖAW/ÖAI/N. Gail

Das Skelett der Heiligen vom Hemmaberg

Stammt aus südöstlichem Mittelmeer-Raum

Die Biografie der Frau können die Forscherinnen dank neuer wissenschaftlicher Methoden dagegen gut nachvollziehen: Eine DNA-Analyse der Knochen zeige, dass die Heilige aus dem südöstlichen Mittelmeer-Raum stammte und 35 bis 50 Jahre alt wurde. Ihren Lebensabend habe sie in Zentraleuropa verbracht. Das fanden die Forscher mittels Isotopenuntersuchung heraus. Diese Atome, die über die Nahrung aufgenommen und in den Zähnen eingelagert werden, spiegeln die letzten Lebensjahre wider, so die Archäologin Binder gegenüber science.ORF.at. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Leute damals sehr mobil waren und im gesamten Römischen Reich herumgereist sind. So lässt sich auch erklären, dass eine Dame aus dem östlichen Mittelmeer-Raum ihre letzten Lebensjahre in Zentraleuropa verbracht hat.“

Bei Ausgrabungen im Jahr 1991 wurde in den Überresten der Kirche eine Reliquiengrube mit den Gebeinen der Heiligen entdeckt

Landesmuseum für Kärnten/F. Glaser

Bei Ausgrabungen wurde 1991 in den Überresten der Kirche eine Reliquiengrube mit den Gebeinen der Heiligen entdeckt

Bestattet wurde die Heilige auf dem Hemmaberg, der im sechsten Jahrhundert ein florierender christlicher Wallfahrtsort war, erst rund 400 Jahre nach ihrem Tod. Was in dem Zeitraum passierte, bleibt unklar. Geologische Untersuchungen zeigen, dass der steinerne Reliquienschrein aus Oberitalien stammt. Das unterstreiche die überregionale religiöse Bedeutung, die der Hemmaberg in der frühchristlichen Zeit hatte, so Binder. Im Zuge der Einwanderung der zu diesem Zeitpunkt noch heidnischen Slawen wurde der Wallfahrtsort um 600 zerstört, die Reliquien gerieten in Vergessenheit. Um 1500 wurde auf dem Hemmaberg wieder eine Wallfahrtskirche erbaut, die bis heute steht.

Digitale Rekonstruktion des Reliquienschreins und der darin aufbewahrten Knochen

7 Reasons

Digitale Rekonstruktion des Reliquienschreins und der darin aufbewahrten Knochen

Todesursache und Name unklar

Da die Frau zur Zeit der frühen Christenverfolgung lebte, wurde sie von Christen im sechsten Jahrhundert vermutlich als Märtyrerin verehrt. Am Skelett selbst konnten die Forscherinnen keine Hinweise auf die Todesursache feststellen. „Aber in frühchristlicher Zeit wurden eben Leute, die einen Märtyrertod gestorben sind, als Heilige verehrt“, so Binder gegenüber science.ORF.at.

Buchhinweis

Michaela Binder und Sabine Ladstätter: Die Heilige vom Hemmaberg. Cold Case einer Reliquie. Verlag Holzhausen.

Dass nicht rekonstruierbar ist, wer die Frau war, liegt auch an den damaligen Gebräuchen: „Zu dieser Zeit waren sehr viele Reliquien, sehr viele Heilige im Umlauf. Jede Kirche brauchte eine Heilige oder einen Heiligen, um ihre Berechtigung zu erlangen, und da sind sicher sehr viele Personen einfach als heilig verehrt worden, von denen wir die Namen nicht mehr kennen“, so die Forscherin.

Nachdem die wissenschaftlichen Analysen abgeschlossen sind, können die Knochen nun wieder in einem rekonstruierten Reliquienschrein auf dem Hemmaberg besichtigt werden.

Julia Geistberger, science.ORF.at

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