Austrittsvertrag lässt Wissenschaft offen

Am Dienstag hätte das britische Parlament über den Austrittsvertrag des Landes aus der EU abstimmen sollen. Der Termin wurde nun verschoben. Gleichgültig, wann er nachgeholt wird, eines ist sicher: In dem 585 Seiten starken Vertrag spielt Wissenschaft kaum eine Rolle.

Großbritannien zieht mit seinen international renommierten Universitäten Studierende und Forscher aus ganz Europa an - umgekehrt profitiert die britische Wissenschaft massiv von EU-Forschungsgeld. Das Wort „Science“ findet sich dennoch kein einziges Mal im Austrittsvertrag, „research“ siebenmal - hauptsächlich in einem Teil über die europäische Atomgemeinschaft (Euratom).

Regeln für Aufenthalt in UK

Einige wenige Informationen lassen sich dennoch entnehmen, zum Beispiel zu Forscherinnen und Forschern aus EU-Ländern, die in Großbritannien leben. Ihr Aufenthalt muss so wie jener von allen anderen EU-Bürgern neu geregelt werden, weil die Niederlassungsfreiheit nicht mehr gilt. Mit dem derzeitigen Austrittsvertrag könnten sie permanenten Aufenthalt beantragen, sagt Peter Mason von Universities UK International, einem Zusammenschluss aller britischen Universitäten. Dieser fixe Status wird nach fünf Jahren Aufenthalt in Großbritannien vergeben - auch dann, wenn das britische Parlament morgen den Austrittsvertrag nicht annimmt, so Peter Mason: „In einem ‚No-deal-Szenario‘ hat die Regierung dafür garantiert.“

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichtet auch das Mittagsjournal am 10.12.2018.

Außerdem soll es möglich sein, ohne Visum für Kurzbesuche einzureisen. Das wird in einem den Austrittsvertrag begleitenden Dokument festgehalten und könnte die Einreise etwa zu wissenschaftlichen Konferenzen oder Projektbesprechungen betreffen.

Festgelegt ist auch, dass Großbritannien aus Euratom ausscheiden wird, aber auch hier gibt es noch zahlreiche offene Fragen zu klären, wie das Wissenschaftsmagazin „Nature“ berichtet: Ob Großbritannien weiter beim europäischen Experiment zu Kernfusion ITER dabei sein wird, ist ebenso unklar wie die Zukunft der ITER-Versuchsanlage nahe Oxford, die großteils mit EU-Geld betrieben wird.

Alles offen nach 2020

Bis zum Ende des Jahres 2020 geklärt wäre mit dem Austrittsvertrag, dass britische Forscherinnen und Forscher beim noch laufenden Horizon 2020 mitmachen dürfen. Das Austauschprogramm Erasmus plus würde vorerst unverändert weiterlaufen.

2017 waren rund 500 österreichische Studierende über Erasmus plus an einer britischen Hochschule, umgekehrt sind mehr als 400 Briten zum Studieren nach Österreich gekommen. Beim Forschungsgeld hat Großbritannien von der EU bisher überdurchschnittlich profitiert, es hat deutlich mehr bekommen als anteilsmäßig in das EU-Budget eingezahlt. Wie es nach 2020 mit der Forschungsförderung weitergeht, das muss aber erst im Detail ausverhandelt werden. EU-Forschungskommissar Carlos Moedas hat zuletzt betont, dass „Programme offen und wechselseitig fair sein sollen“.

Vorbild assoziierte Länder

Die genauen Teilnahmebedingungen für das nächste EU-Forschungsprogramm Horizon Europe sind aber ungeklärt, es hat immerhin ein Budget von 100 Milliarden Euro. Immer wieder gibt es Berichte von britischen Forschungseinrichtungen und Universitäten, dass sie schon heute nicht mehr zu EU-Projekten eingeladen werden aus Angst, dass damit die Chancen auf Förderung sinken. Gesicherte Zahlen gibt es dazu aber bisher keine.

Schon heute nehmen Nicht-EU-Staaten wie die Schweiz, Norwegen und Israel an Forschungsprogrammen der EU teil. EU-Forschungskommissar Carlos Moedas: „Für Forschung und Innovation in Europa sind diese Kooperationen überaus wichtig.“ Er will dieses Modell auch mit Großbritannien fortsetzen - das Preisetikett für diesen Deal muss aber erst ausverhandelt werden.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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