Mehr Stipendien für geflüchtete Forscher

Wenn die politischen Verhältnisse diktatorische Züge annehmen, gehören Forscher und Forscherinnen meist zu den Ersten, die ein Land verlassen. Universitäten würden gerne mehr politisch Verfolgte aufnehmen – doch dafür brauchten sie Stipendien.

„Es ist nicht nur, aber in erster Linie eine Frage des Geldes“, sagt Michael Gaebel, bei der Vereinigung der Europäischen Universitäten (EUA) zuständig für Hochschulpolitik. In den letzten Jahren haben sich die Anfragen bei Mitgliedern der EUA nach Plätzen für geflüchtete Forscherinnen und Forscher gehäuft.

Drei internationale Netzwerke gibt es, an die sich betroffene Menschen wenden können: Scholars at Risk, der Scholar Rescue Fund und der Council for At-Risk Academcis (CARA). Allein Scholars at Risk hat im vergangenen Jahr für 150 Forscherinnen und Forscher einen Platz an einer fremden Universität organisiert. Auch österreichische Universitäten sind Teil solcher Netzwerke. Sie vermitteln aber lediglich Plätze an Hochschulen, die Kosten dafür muss die Uni selbst tragen. „Wenn es Mittel gäbe, die Universitäten beantragen könnten, könnten sie auch mehr Forscher und Wissenschaftler aufnehmen“, so Gaebel.

Forderung: Neue Erasmus-Stipendien

Deshalb regt die EUA an, das Programm Erasmus+ zu erweitern. Über dieses EU-Programm können nicht nur Studierende ein Semester im Ausland verbringen, es fördert auch internationale Vernetzung über die Grenzen Europas hinaus. Aus diesen Töpfen könnten auch Stipendien für flüchtende Forscher kommen. Gaebel spricht im Interview mit Ö1 „Fonds für Entwicklung und Nothilfe sowie für Nachbarschaftsprogramme“ an.

Ö1 Sendungshinweis:

Über das Thema berichtet auch Wissen Aktuell am 11.12.2018.

Derzeit verhandelt der Uni-Verband mit der Europäischen Kommission. Dort habe man für Stipendien für flüchtende Forscherinnen und Forscher durchaus ein offenes Ohr. Dazu tragen auch Entwicklungen in Europa bei: „2016 gab es den Zeitpunkt, als mehr flüchtende Wissenschaftler aus der Türkei als aus Syrien kamen.“ Ende November 2018 wurde Scholars at Risk Europe gegründet, ebenfalls eine Reaktion auf Entwicklungen in Europa.

Auch wenn er nicht damit rechnet, dass der Erasmus-Vorstoß der EUA sofort von der EU-Kommission umgesetzt wird - die Debatte wird weitergehen, ist Michael Gaebel überzeugt. Denn letztlich gehe es auch um die Frage, wie Europa mit hochqualifizierten Menschen umgeht. Sie sind zwar nur ein kleiner Teil jener, die durch Fluchtbewegungen kommen. Aber in jedem einzelnen Fall ist es ein persönlicher und gesellschaftlicher Verlust, wenn hohe Qualifikationen in Niedriglohnjobs verloren gehen.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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