Quanten-Internet: Alice und Bob bekommen Gesellschaft

Die Quantenphysik verspricht vollkommen abhörsichere Kommunikation - doch für Anwendungen im Internet müssten die Quanten auch das „Netzwerken“ lernen: Wiener Forscher haben es ihnen beigebracht.

Alice und Bob. Wenn Physiker diese beiden Namen in den Mund nehmen, dann reden sie in der Regel nicht über Kollegen und Kolleginnen, sondern über Kommunikation. Beziehungsweise über die technische Übertragung von Botschaften: Alice ist die Senderin, Bob der Empfänger - wie können die beiden sicherstellen, dass kein Dritter mitlauscht?

Cover der Zeitschrift "Nature", 12.12.2018

Nature

Die Studie der Wiener Physiker ist Coverthema im aktuellen „Nature“.

Schutz durch das Naturgesetz

Herkömmliche Verschlüsselungstechnologien bieten nur relativen Schutz, sagt Rupert Ursin von der Akademie der Wissenschaften: „Wenn ich meine Emails lese, könnte ein Dritter im Prinzip beliebig viele Kopien davon anfertigen - und es würde niemand bemerken. Bei der Quantenkryptografie ist das unmöglich. Wenn Hacker versuchen, eine Quantenbotschaft zu belauschen, hinterlassen sie unweigerlich eine Spur. Das ist ein Naturgesetz.“

Dass die Sache funktioniert, wurde schon mehrfach im Labor nachgewiesen, bisher bei Botschaften von A nach B. Für Anwendungen im Internet bräuchte es naturgemäß mehr Teilnehmer, nämlich ein ganzes Netzwerk, in dem Sender und Empfänger Quantenschlüssel austauschen. „Der Aufwand steigt mit der Zahl der Partner extrem an“, sagt Ursin. „Die Kunst ist es also, ein System zu finden, bei dem der Ressourceneinsatz nur minimal wächst. Das ist uns jetzt gelungen.“

Wie Ursin und sein Kollege Sören Wengerowsky im Fachblatt „Nature“ berichten, hat ihr „fully connected network“ eine äußerst sparsame Architektur. Übersetzt in praktische Begriffe hieße das: Es bräuchte Quantentechnologie an einem Router sowie am Server, mehr aber auch nicht. Die Internetverbindungen der potenziellen Teilnehmer müssten nicht neu bestückt werden.

Lichtstrahl im Physiklabor

ÖAW/IQOQI

Der Versuchsaufbau der Wiener Quantenphysiker

Alice, Bob, Carol, Dave … und?

Was die Wiener Forscher in ihrem Labor realisiert haben, ist freilich reine Grundlagenforschung, ein Machbarkeitsbeweis für technische Umsetzungen in der Zukunft. Momentan besteht das Quantennetzwerk aus vier Usern. Nebst Alice und Bob sind nun auch Carol und Dave nach Quantenart miteinander verbunden - wobei im Prinzip auch tausende Teilnehmer möglich wären, betont Ursin. „Das ist letztlich nur eine Geldfrage“.

Bleibt nur ein kleines Problem: Die offizielle alphabetische Liste der Protagonisten ist hiermit erschöpft. Wie könnten die User in größeren Quantennetzwerken heißen? Sören Wengerowsky hat einen Vorschlag: „Vielleicht wollen sich die Leser des ORF ein paar Namen einfallen lassen?“

Robert Czepel, science.ORF.at

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