Später Schulbeginn macht Schüler munter

Jugendliche, die sich nur schwer aus dem Bett quälen und dann schläfrig im Unterricht sitzen, sind ein bekanntes Phänomen. Laut einer Studie kann ein späterer Schulbeginn helfen - die Schüler schlafen in der Nacht deutlich länger.

Die Debatte um einen späteren Unterrichtsbeginn kommt immer wieder auf – ob Schüler davon profitieren oder das Problem nur nach hinten verschoben würde, ist empirisch bisher aber unzureichend erforscht. Eine neue Studie liefert nun Daten: In Seattle im US-Bundesstaat Washington wurde der Unterrichtsbeginn an öffentlichen Schulen um knapp eine Stunde nach hinten verlegt, Biologen haben getestet, wie sich das auf die Schlafdauer von Jugendlichen auswirkt. Denn Teenager sollten in der Nacht eigentlich acht bis zehn Stunden schlafen. Wie eine frühere Studie aus den USA zeigt, schafft aber nur ein Viertel der Jugendlichen das Minimum von acht Stunden.

Für die aktuelle Studie hat das Forscherteam um Horacio de la Iglesia und Gideon Dunster von der University of Washington das Schlafverhalten von 180 Schülern an zwei Highschools in Seattle untersucht - und zwar zuerst 2016, als der Unterricht noch um 7 Uhr 50 losging, und dann wieder 2017, als die Schule um 8 Uhr 45 begann. Die 15- bis 16-Jährigen trugen spezielle Armbanduhren, die messen, wie aktiv sie waren und wieviel Licht sie abbekamen. Zudem führten sie ein Schlaftagebuch und füllten Fragebögen zu ihrem Wohlbefinden und Schlafverhalten aus.

Das Ergebnis: Die Jugendlichen bekamen durch den späteren Schulbeginn tatsächlich mehr Schlaf. Sie konnten länger ausschlafen, gingen deswegen aber nicht unbedingt später ins Bett. Im Median schliefen sie so um 34 Minuten länger und näherten sich damit den empfohlenen acht Stunden zumindest an. „Die Schüler schlafen nun mehr, einfach weil der spätere Schulbeginn besser mit ihren natürlichen Aufwachzeiten übereinstimmt“, so de la Iglesia in einer Aussendung.

Teenager werden später müde

Denn der natürliche Schlaf-Wach-Rhythmus verschiebt sich während der Pubertät nach hinten, Jugendliche werden später müde als Kinder oder Erwachsene. Es würde also nichts bringen, Teenager früher ins Bett zu schicken, wie auch Stefan Seidel, Neurologe und Schlafforscher an der Medizinischen Universität Wien und nicht an der Studie beteiligt, gegenüber science.ORF.at erklärt: „Abgesehen davon, dass es wohl zu Streit in der Familie führen würde, bringt es auch aus Sicht der Biologie nichts: Im Gegenteil, man würde wahrscheinlich eher Schlafstörungen züchten, weil die Teenager dann im Bett liegen und nicht einschlafen können.“

Aus Sicht der Chronobiologie ist ein späterer Schulbeginn bei älteren Schülern also sinnvoll. „Von Jugendlichen zu erwarten, dass sie um 7 Uhr 30 wach und aufmerksam sind, ist wie von Erwachsenen zu erwarten, dass sie das um 5 Uhr 30 sind“, so Studienautor de la Iglesia. „Wann Jugendliche typischerweise einschlafen, ist biologisch determiniert. Wann sie aufstehen, ist aber sozial determiniert. Das hat drastische Auswirkungen auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden“, ergänzt Co-Autor Dunster. Denn eine gestörte innere Uhr wirke sich negativ auf Verdauung, Immunsystem, Aufmerksamkeit und psychische Gesundheit aus.

Bessere Leistung durch späteren Schulbeginn

Für Schlafforscher Seidel bildet die neue Studie einen wichtigen Beitrag für eine faktenorientierte Debatte um einen späteren Schulbeginn. Er gibt aber auch zu bedenken, dass die Jugendlichen später in die Schule gebracht werden müssten und das mit dem restlichen Ablauf im Familienleben in Konflikt geraten könnte. „Aber letztlich geht es ja auch um die Schulleistungen, um die Zufriedenheit und ums Vorankommen. Und da würden diese Daten eher für einen Unterrichtsbeginn um halb, dreiviertel neun sprechen“, so Seidel.

In Seattle waren die Teenager durch den späteren Schulbeginn im Unterricht aufmerksamer und weniger schläfrig. Was die Leistungen betrifft, bietet die Studie nur bedingt Auskunft: Es wurden nur die Noten im Fach Biologie erhoben, in das die Studie eingebettet war. Hier schnitten die teilnehmenden Schüler im Vergleich zum Vorjahr um 4,5 Prozent besser ab. An jener der beiden Highschools, die viele Jugendliche aus sozial schwachen Familien besuchten, wirkte sich der spätere Schulbeginn auch indirekt positiv auf die Leistung der Schüler aus: Sie verpassten die erste Unterrichtsstunde seltener und kamen generell weniger oft zu spät.

Julia Geistberger, science.ORF.at

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