Ein Acker voller Quallen

Deutsche Forscher greifen im Rahmen eines EU-Projekts eine jahrhundertealte Tradition auf: Sie untersuchen Quallen als Düngemittel in der Landwirtschaft - und zeigen, dass Quallen noch viel mehr können als Nährstoffe abgeben.

Quallen sind uralte, noch weitgehend unerforschte Tiere. Doch sie haben einen schlechten Ruf. Sie stören die Badenden am Strand und für die Fischer sind sie lästiger Beifang. In den leergefischten Meeren haben Quallen kaum noch Fressfeinde. Gleichzeitig finden sie mehr Nahrung, denn sie fressen das gleiche wie die Fische: Plankton, kleine Krebse und sogar kleine Fische und andere Quallen. Auch der Klimawandel ist für die meisten Quallenarten eher von Vorteil. Zwar gibt es bisher keine Langzeitstudien, doch der Trend deutet dahin, dass wir in Zukunft mit immer mehr Quallen zu kämpfen haben werden.

Die Quallenplage ließe sich für manche Zwecke allerdings auch sinnvoll einsetzen, meinen Wissenschaftler am Geomar Helmholtz Institut für Ozeanforschung in Kiel. Im Rahmen des EU-Projekts Go Jelly arbeiten sie seit einem Jahr an verschiedenen Möglichkeiten, was man mit dem glitschigen Tier anfangen könnte. Eine ihrer Ideen: Quallen in der Landwirtschaft nutzen.

Kompassqualle

Tihomir Makovec / Go Jelly

Kompassqualle

Gesunder Glibber

In Asien gehört die Qualle für viele Menschen auf den Speiseplan, denn sie gilt als kalorienarm und ist reich an Nährstoffen. Die Qualle könnte aber auch für die Böden nahrhaft sein. Zwar besteht sie zu 98 Prozent aus Wasser, doch sie enthält auch Magnesium, Kalzium, Stickstoff und Phosphat. In küstennahen Regionen haben die Bauern schon zu früheren Zeiten Quallen und andere Meeresbewohner, etwa Algen, als traditionellen Dünger auf ihre Felder getragen. Doch die Wissenschaftler aus Kiel möchten den Quallendünger nun professionalisieren.

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„Ich kann mir vorstellen, dass es wenig effizient ist, das zu trocknen und das Pulver dann einfach auf dem Boden aufzubringen“, meint Thorsten Reinsch, Agrarwissenschaftler an der Christian-Albrechts Universität zu Kiel. Man bräuchte rund einen Kubikmeter Quallen, um damit einen Hektar Land zu bewirtschaften, meint er. „Aber wenn man es dann als Nährstoffdünger versteht, also beispielsweise getrocknetes Material wieder in Wasser auflöst und dann zum Beispiel als Blattdünger aufbringt, da kann so ein Dünger effizient aufgenommen werden.“

Phosphatdünger

Vor allem der Phosphatgehalt macht die Qualle zu einem interessanten Düngemittel, das herkömmliche, teure Produkte ersetzen könnte. In vielen afrikanischen Ländern mangelt es an Phosphor im Boden, ein Grund dafür ist, neben der generellen Säure im Boden, die Monokultur. Doch Phosphor ist ein lebenswichtiger Stoff für Mensch und Tier. Ein halbes Kilogramm davon hat ein gesunder Erwachsener im Körper, gebraucht wird es für unzählige Funktionen, vom Atmen bis zum Erbgut. Phosphatdünger ist für afrikanische Kleinbauern bisher unbezahlbar. Vielleicht wäre Quallendünger eine Alternative.

Quallenuntersuchung im Labor

Tinkara Tinta

Quallenuntersuchung im Labor

Quallenkollagen erfrischt den Boden

Eine weitere praktische Eigenschaft ist das Kollagen in der Qualle. Es kann enorm viel Wasser aufnehmen und speichern. Bisher hat man es bereits für Hautcremes eingesetzt, nun soll die anti-aging Eigenschaft der Qualle auch den Böden zugutekommen. „Das Quallenkollagen könnte sich sehr gut dazu eignen, Feuchtigkeit im Boden zu halten. Das wäre dort interessant, wo es eine schlechte Wasserversorgung im Boden oder trockene Böden im Zuge des Klimawandels gibt. So ein quallenbasierter Dünger oder Bodenhilfsstoff könnte dafür sorgen, dass Saatgut besser keimt und sich junge Pflanzen unter klimatischen Stressbedingungen besser entwickeln können“, so Thorsten Reinsch.

Zusammenarbeit mit Industrie

Er testet derzeit verschiedene Quallenarten und Verarbeitungsmethoden mit dem Unternehmer Martin Stemmler von der Hanseatische Umwelt Gmbh, eine Firma, die sich unter anderem auf biologische Düngemittel spezialisiert hat. Martin Stemmler besitzt eigene Forschungseinrichtungen, um mit Düngemitteln zu experimentieren.

„Die Qualle kommt ja als Frischmasse bei uns an, wir zerkleinern sie und verwenden sie in der zerkleinerten frischen Form, aber wir haben auch eine kleine Trocknungsanlage.“ Dort trocknet er Quallen und auch Seegras bei 30 bis 35 Grad, und zwar so, dass die Proteine nicht zerstört werden. „Wir arbeiten mit Quallenmehl, Quallengranulat, aber eben auch mit Frischmasse“, erzählt er.

Tritt man auf eine Feuerqualle, wird die Haut rot und brennt. Das Nesselgift zu isolieren und als biologisches Insektenvernichtungsmittel einzusetzen, ist eine weitere Idee des Go Jelly-Teams. Auch als Unkrautvernichter scheint sich die Qualle zu eignen. Doch weitere Tests dazu stehen noch aus. Das EU-Projekt Go Jelly am Geomar Helmholtz Meeresforschungsinstitut in Kiel läuft noch bis 2021.

Hanna Ronzheimer, Ö1-Wissenschaft

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