Klimakrise führt zu Vogelstreit

Singvögel wie der Trauerschnäpper ziehen im Frühling von Afrika nach Europa - wegen der Klimaerwärmung immer früher. So kommen sie laut einer neuen Studie zunehmend in Konflikt mit Vögeln, die das ganze Jahr hier leben - sie werden von ihnen massenhaft getötet.

In den Niederlanden kommen die Trauerschnäpper im April an, suchen sich einen Brutplatz in Baumhöhlen oder einem Baum-Vogelhäuschen, ziehen den Nachwuchs vorzugsweise mit Raupen auf und bleiben dort, bis der Nachwuchs flügge wird - so in etwa Mitte Juni, erklärt der niederländische Biologe und Studienautor Jelmer Samplonius.

Es gibt aber auch einen anderen Singvogel, der ebenfalls in Baumhöhlen und Vogelhäuschen brütet und seinen Nachwuchs mit Raupen aufzieht: die Kohlmeise. Diese hat nur gewissermaßen einen Vorteil: Sie bleibt das ganze Jahr über in Europa wie in den Niederlanden und fängt früher zu nisten an als Trauerschnäpper. Grundsätzlich war das kein großes Problem, so der Biologe, denn der Abstand der Brutzeiten war bisher mit gut zwei Wochen ausreichend. „Das änderte sich allerdings in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Denn Trauerschnäpper fingen an, früher nach Europa zu kommen“, so Samplonius.

Jelmer Samplonius mit einem Trauerschnäpper

Rob Buiter

Jelmer Samplonius mit einem Trauerschnäpper

Der frühe Vogel fängt - die Raupe

Der Grund dafür sei der Klimawandel. Denn entscheidend für eine erfolgreiche Brut ist die Raupennahrung. Diese ist aber im Frühling zeitlich begrenzt. „Da es durchschnittlich immer wärmer wurde, schlüpfen Raupen nun um 14 Tage früher als in den 1980er Jahren“, errechnet der Biologe aus Aufzeichnungen der letzten Jahrzehnte. An diesen Umstand passten sich die wandernden Singvögel an. Auch sie kommen mittlerweile um zwei Wochen früher aus Afrika an als noch vor gut 30 Jahren.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 11.1., 13:55 Uhr.

Dadurch begannen sich die Brutzeiten der beiden Singvögel zum Teil zu überlappen - mit fatalen Folgen für die wandernden Trauerschnäpper. Im Kampf um Nistplätze töten Kohlmeisen die Zugvögel - vor allem die Männchen. Zwar haben sich auch Kohlmeisen mit ihrer Brutzeit an die veränderten Raupenhochzeiten angepasst. Sie können aber auch auf jährliche Temperaturschwankungen reagieren, der Trauerschnäpper nicht. „In kalten Frühlingen schlüpfen die Raupen später. Wir haben gesehen, dass sich Kohlmeisen daran anpassen können“, erklärt der Biologe, der die Vögel und ihre Brutzeiten in einer Feldstudie zehn Jahre lang beobachtete.

YouTube-Erklärvideo der Forscher:

Fatal: Warmer Winter und kalter Frühling

Besonders viele tote Trauerschnäpper beobachteten die Forscher in Jahren, in denen der Winter mild und der Frühling kalt ist. Wie der Biologe und sein Kollege Christiaan Both von der Universität Gronigen feststellten, vermehren sich Kohlmeisen nach einem milden Winter besonders stark. Folgt auf den warmen Winter ein kalter Frühling, verschiebt sich nicht nur die Raupenhochzeit nach hinten, auch die flexiblen Kohlmeisen fangen später zu brüten an. Das heißt, in diesen Jahren gibt es viele Kohlmeisen, die noch dazu später brüten. Das verschärft die Konkurrenz mit den ankommenden Trauerschnäppern um Nistplätze und letztlich Raupen. „In diesen Jahren fanden wir bis zu zehn Prozent der Trauerschnäpper tot in den Baum-Vogelhäuschen. In anderen Jahren waren es nur ein oder drei Prozent.“

Es gibt aber eine gute Nachricht: Denn dieses Massaker hat vorerst keinen Einfluss auf die Größe der Population der Trauerschnäpper, so das Ergebnis der Studie mit gut 300 Trauerschnäpperpaaren. Der Grund dafür: Von Kohlmeisen getötet werden selbst in dramatischen Jahren nur Zugvögel, die sehr spät ankommen und in der Regel dann kein Weibchen mehr finden, erklärt Samplonius. Der Biologe vermutet, dass es dadurch auch zu einer Selektion kommt und sich vor allem jene Vögel fortpflanzen, die es schneller nach Europa schaffen. Wie sich die Situation mit fortschreitender Klimaerwärmung entwickeln wird, sei offen. „Generell könne man aber sagen, dass Zugvögel gegenüber Jahresvögeln einen klaren Nachteil haben.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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