Wie man das Gedächtnis „repariert“

Ist der Gedächtnisschwund von Alzheimer-Patienten umkehrbar? Das legen zumindest Tierversuche nahe: Wissenschaftler haben demente Mäuse einer neuen Therapie unterzogen – und ihre verloren geglaubten Hirnfunktionen wiederhergestellt.

„Auf die zuletzt geöffnete Version zurücksetzen“: In Computerprogrammen gehört diese Funktion bekanntlich zur Grundausstattung, schließlich macht jeder einmal Fehler. Um das angerichtete Chaos im File loszuwerden, genügt in der Regel ein Mausklick. Wäre es nicht ausgesprochen praktisch, hätten Mediziner solche Werkzeuge auch für das erkrankte menschliche Gehirn zur Hand?

Klar, das Gehirn ist kein Computer – doch Wissenschaftler der State University of New York in Buffalo haben tatsächlich etwas ähnliches im Tierversuch entdeckt.

Gestörte DNA-Verpackung

Die Studie von Zhen Yan und ihrem Team begann mit der Beobachtung, dass an Alzheimer erkrankte Mäuse (ebenso wie menschliche Alzheimer-Patienten) zu wenige Glutamat-Rezeptoren in ihrer vorderen Großhirnrinde besitzen. Das hemmt die Weiterleitung von Signalen und führt letztlich zum Schwund der Lernfähigkeit und des Gedächtnisses. Wie die Hirnforscher im Fachblatt „Brain“ berichten, sind epigenetische Veränderungen daran Schuld, also Störungen in der Proteinverpackung der DNA.

Eine weiße Labormaus

AP

Eine Ursache von Alzheimer ist der Verlust von Rezeptoren im Gehirn

Diese Proteine, Histone genannt, entscheiden darüber, wo das Erbmolekül in Nervenzellen abgelesen wird und wo nicht. Dass den Alzheimer-Mäusen Rezeptoren im Gehirn fehlen, dürfte schlichtweg daran liegen, dass die DNA an der falschen Stelle verpackt ist.

“Dramatische Verbesserung“

Nach dieser Diagnose machte sich Zhen Yan auf die Suche nach einem Gegenmittel – und wurde fündig. Nachdem die Histon-Veränderungen von Enzymen gesteuert wird, boten sich Hemmstoffe derselben für die Behandlung an, erzählt Yan: „Wir haben den Mäusen solche Enzym-Hemmer injiziert und waren überrascht über die dramatische Verbesserung ihrer geistigen Leistungsfähigkeit. Ihr räumliches Gedächtnis und ihr Arbeitsgedächtnis war auf einmal wieder da. “ Die Behandlung ging auch mit einem Zuwachs der Glutamat-Rezeptoren einher. Womit gezeigt war, dass deren Verlust tatsächlich etwas mit den Symptomen der Krankheit zu tun hat.

Bis zu einer medizinischen Anwendung ist es freilich noch ein weiter Weg. Denn der Effekt hielt bei den Versuchen bloß eine Woche lang. Nun suchen die Forscher nach Wirkstoffen, die sich effektiver im Gehirn verteilen. Im nächsten Schritt müssten sie unter Beweis stellen, dass die Therapie auch an menschlichen Alzheimer-Patienten wirkt - und außerdem sicher ist.

Robert Czepel, science.ORF.at

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