Ruth Wodak über Rhetorik der Demagogie

Die Organisation SOS Mitmensch hat einen Bericht über antimuslimischen Rassismus in Österreichs Politik präsentiert. Sie führt 20 Vorfälle aus dem Jahr 2018 an und ordnet sie alle der FPÖ zu. Die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak erklärt zu diesem Anlass die Muster rhetorischer Demagogie.

Hetze gegen Muslime habe das Zentrum österreichischer Politik erreicht, so das Fazit von SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak bei einer Pressekonferenz in Wien.

Angriffe wegen Religionszugehörigkeit

Zu den Vorfällen und Kampagnen, oft über Social Media, zählt die Organisation etwa die Forderung nach Ausschluss von Muslimen aus Gemeindebauten. Als weitere Beispiele nannte Pollak die Skandalisierung von Staatsbürgerschaftsverleihungen an Muslime, die FPÖ-Kampagne zur Indexierung der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland, die Videokampagne zu Fotos auf E-Cards und die Kritik an der Häufigkeit des Namens Muhammed.

Es gehe dabei um Angriffe auf Menschen allein aufgrund ihrer angenommenen oder tatsächlichen Religionszugehörigkeit, unterstrich Pollak seine Definition von antimuslimischem Rassismus. Die kritische Auseinandersetzung mit Religion oder den Handlungen einzelner Personen sei davon nicht betroffen.

Wodak: Drei Schritte der rhetorischen Ausgrenzung

Die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak betonte, dass die Muster nicht neu seien, nun aber mit der FPÖ als Regierungspartei in der Spitzenpolitik angekommen seien, ohne dass die ÖVP eine klare Haltung einnehme. Sie warnte vor gefährlicher Demagogie und sah sich an nationalsozialistische Rhetorik erinnert. Es sei die Frage, wann in Postings wohl erstmals die Forderung auftauche, nicht mehr in muslimischen Geschäften einzukaufen oder ihnen Parkbänke zu verweigern.

„Ausgrenzung und Diffamierung von Minderheiten findet sich seit Jahrzehnten und Jahrhunderten immer wieder in der österreichischen Politik“, schreibt Wodak in einer Stellungnahme. Im Gedenkjahr 2018 habe man an die Diskriminierung von Juden, Roma und Behinderter erinnert. 1989, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, seien Zuwanderer aus dem ehemaligen Ostblock mit negativen Stereotypen („kriminelle Polen“) versehen worden. „Die damaligen sprachlichen Muster der Ausgrenzung ähneln in vielem in verblüffender Weise jenen Mustern, die heute gegen Muslime und Musliminnen verwendet werden“, schreibt Wodak.

„So werden zunächst Generalisierungen über eine fälschlich als homogen imaginierte Gruppe von Muslimen getroffen, denen in einem zweiten Schritt ganz allgemein verschiedenste negative Attribute zugeordnet werden. In einem dritten Schritte werden dann Policies vorgeschlagen, um diese Gruppe im Alltag und institutionell zu diskreditieren, letztlich als gesamte Gruppe zu kriminalisieren.“

Der Bericht von SOS Mitmensch zeige diese „für eine pluralistische Demokratie höchst gefährliche Entwicklung“ und mache es möglich, politisch und erzieherisch-aufklärend entgegenzuwirken, so Wodak.

science.ORF.at/APA

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