Ändern Buckelwale ihre Fortpflanzung?

Normalerweise wandern Buckelwale im Winter von arktischen Gewässern in tropische Meeresgebiete, um sich dort fortzupflanzen. Begleitet wird dieses Spektakel von langen Walgesängen. Solche Balzgesänge haben Forscher nun auch im Norden vor Island aufgezeichnet. Die Wissenschaft rätselt.

Wenn Buckelwalmännchen singend erklären, dass sie für die Paarung bereit sind, kann das schon zehn Minuten dauern. Das komplexe Lied wird jedes Jahr vor der Brutzeit in der Herde komponiert und einstudiert. Ein Beispiel dafür:

Untypischerweise wurden diese Balzgesänge nicht in warmen Gewässern in der Karibik oder um die Kapverdischen Inseln Afrikas aufgenommen, wo sich viele Buckelwale paaren, sondern vor Island. Normalerweise fressen sich die Buckelwale hier im Sommer mit Hering, Kapelan und anderen Futterfischen an. Zwischen Jänner und März, während der Brutzeit, machen sie sich dann auf den Weg Richtung Süden - gefressen wird hier nicht.

Mehr Buckelwale überwintern im Norden

Beobachtungen zufolge bleiben nun immer mehr Buckelwalherden nicht nur im Sommer im Norden, sondern auch in der winterlichen Brutzeit, erklärt die Studienautorin Edda Elísabet Magnúsdóttir von der Universität Island. „Einerseits hat man die Männchen akustisch aufgenommen. Andererseits ergibt sich durch Berichte von Touristenschiffbetreibern, wie etwa für Walbeobachtungen, sowie Fischern und andere Berufsschifffahrern das Bild, dass es hier im Norden immer mehr Wale gibt.“

Warum einige Buckelwale auch im Winter im Norden bleiben und fressen, ist unklar. Einerseits könnte es einfach sein, dass Wale, wenn sie zu schwach sind, eine Pause machen und im Winter gar nicht in den Süden schwimmen oder später losziehen, spekuliert die Walforscherin. „Es kann auch sein, dass Walweibchen sich nicht jedes Jahr fortpflanzen und dann nicht diese lange Reise antreten.“

Buckelwal vor Island

University of Iceland's Research Center Húsavík, 2019

Buckelwal vor Island

Folge der Klimaerwärmung?

Es wäre aber auch denkbar, dass das Verhalten mit den veränderten Meerestemperaturen zu tun hat. Wie Forscher zeigen, gibt es etwa vor der Nordküste Islands - ein beliebter Futterplatz der Wale - mehr Kapelan, auch Hering findet man dort nun vermehrt, so die Walforscherin. „Mit den 1960er Jahren war der Fischbestand aus den isländischen Gewässern verschwunden. Nun kehrt der Hering offensichtlich wieder zurück.“

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 23.1., 13:55 Uhr.

Das könnte auch bei anderen Fischarten der Fall sein. Wie Untersuchungen zeigen, gibt es seit 1996 vor Island 30 zusätzliche Fischarten, was auf das wärmere Wasser zurückzuführen ist. Unter Umständen passen sich die Wale daran an. "Vielleicht sind manche Fische später verfügbar, weshalb die Wale länger bleiben, oder es gibt allgemein mehr Fisch, weshalb es für sie sinnvoll ist, länger zu bleiben.“ Aber auch das muss noch genauer untersucht werden, so Magnúsdóttir.

Generell zeige die Studie aber, dass Buckelwale wesentlich flexibler in ihrem Wanderverhalten sind als bisher angenommen. Ob sich die Wale im Norden auch tatsächlich fortpflanzen, soll in den nächsten Untersuchungen geklärt werden. „Die Lieder der Buckelwalmännchen sind bereits voll ausgereift und von der Struktur her vergleichbar mit jenen, die wir in tropischen Gewässern aufgezeichnet haben. Der Norden könnte somit auch ein wichtiger Brutplatz sein, den wir bisher noch nicht entdeckt haben.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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