Der Quantenmystiker: Fritjof Capra wird 80

Er spannte den Bogen zwischen abendländischer Wissenschaft und fernöstlicher Mystik - und wurde schließlich zu einem Vordenker des New Age: Am Freitag wird der österreichische Physiker und Autor Fritjof Capra 80 Jahre alt.

Capra, am 1. Februar 1939 in Wien geboren und in Kärnten und Innsbruck aufgewachsen, schlug zunächst eine klassische wissenschaftliche Karriere ein. Er wurde an der Universität Wien in theoretischer Physik promoviert und war zwei Jahrzehnte im Fachbereich Teilchenphysik wissenschaftlich tätig. Sein Weg führte ihn durch die Laboratorien der Universität Paris in Orsay und des Imperial College in London, zum Teilchenbeschleuniger der Stanford University (US-Bundesstaat Kalifornien) und schließlich ins benachbarte Berkeley zur University of California.

Portraitbild von Fritjof Capra

Fritjof Capra

Fritjof Capra

Gefüllte Hörsäle in Berkeley

Seine Popularität verdankte der Forscher mit den Schwerpunkten Quantenfeldtheorie, theoretische Elementarteilchenphysik und Systemtheorie zunächst der Gabe, komplizierte Vorgänge verständlich darstellen zu können. Als Professor für Hochenergiephysik füllte Capra mit Vorlesungsreihen wie „Physik für Nichtphysiker“ oder „Einführung in die Theorie lebender Systeme“ ab 1974 die Hörsäle in Berkeley. 1984 übernahm er dort außerdem einen Lehrauftrag für Systemtheorie an dem von ihm gegründeten Elmwood Institut zur Synthese und Vermittlung neuer ökologischer Visionen.

In Kalifornien kam er mit der politischen Protestbewegung und gegenkulturellen Aktivitäten der 60er Jahre in Berührung. Mitte der 1970er Jahre avancierte der erfolgreiche Wissenschafter mit seinem Buch „Das Tao der Physik“ zum Vordenker des New Age. Geprägt von einem gewissen Unbehagen an der Wissenschaft, von Mystik und einer Vorliebe für die Philosophie Asiens, entwickelte Capra ein Weltbild, das auch nicht-menschlichen Lebensformen innere Werte zuordnet. In den Mittelpunkt stellte er die Besinnung auf die Natur, Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung, ganzheitliche Medizin und Psychotherapie.

Umstrittene Deutung der Quantenphysik

Capra verstand es, die wissenschaftliche Debatte um die Deutung der Quantenphysik zur Stützung seiner weltanschaulichen Aussagen zu nutzen. Er berief sich auf Niels Bohr und Werner Heisenberg und erweckte den Eindruck, seine Deutung der Quantenphysik im Sinne der östlichen Mystik stehe im vollen Einklang mit diesen Physikern. Doch für die von Capra behauptete Wechselwirkung von Quantenprozessen mit dem gesamten Universum „gibt es weder einen Hinweis aus den Zitaten der Autoritäten noch irgendeinen experimentellen Beweis. Das gleiche gilt für die von Capra behauptete Verbindung von Physik und östlicher Mystik“, schrieb die „Skeptiker“-Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften schon vor Jahren über die „New-Age-Physik“ Capras.

Capras zweiter Bestseller „The Turning Point“ (1982; deutsch: „Wendezeit“, 1983) fiel in der New-Age-Bewegung auf fruchtbaren Boden. Die darin erhobene Forderung nach einer „Umwertung aller Werte“ brachte der Bewegung aber auch den Vorwurf ein, sich eine Art Selbsterlösungsreligion geschaffen zu haben. Speziell kritisiert er den mechanistisch-reduktionistischen Ansatz der Wissenschaft, der das Weltbild des Westens dominiert, und plädiert stattdessen für einen ganzheitlichen Zugang.

Ganzheitliche Betrachtungen

In „Green Politics“ (1984) analysierte er den Aufstieg der Grünen in Deutschland. Sein Buch „Verborgene Zusammenhänge“ (2002) verordnet eine „ökologisch nachhaltige Gemeinschaft“ zur Bewältigung von Globalisierung, Rohstoffverknappung, Überbevölkerung, Arbeitslosigkeit und Kriminalität. In mehreren Büchern widmete sich Capra den wissenschaftlichen Schriften Leonardo da Vincis. In „The Ecology of Law“ (2015) zog er Parallelen zwischen Rechts- und Naturwissenschaften und ortete die Wurzeln der globalen Krise in einem Rechtssystem, das auf einer veralteten Weltanschauung basiert.

Seine Theorien wandte Capra unter anderem auch auf das Wirtschaftsleben an, etwa auf das Change Management in großen Organisationen. Dementsprechend gab er auch Management-Seminare für Führungskräfte und propagierte am von ihm gegründeten Center for Ecoliteracy in Berkeley „ökologische Bildung“ an den Schulen. In den vergangenen Jahren hat er seine Lehrtätigkeit reduziert und konzentriert sich auf sein Online-Kurs-Angebot mit dem Lehrbuch „The Systems View of Life: A Unifying Vision“ (2014).

science.ORF.at/APA

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