Auch Bienen können rechnen

Ihr Gehirn mag winzig sein – klug sind sie dennoch, wie ein Experiment aufs Neue bestätigt: Bienen besitzen offenbar so etwas wie mathematische Intelligenz. Sie rechnen mit Formen und Farben.

70 Jahre nach der Entdeckung ihrer Tanzsprache durch Karl von Frisch sind die Bienen immer noch für Überraschungen gut. Nun berichten Forscher des Royal Melbourne Institute of Technology von diesem erstaunlichen Befund: Die staatenbildenden Insekten beherrschen - sofern wenn man sie entsprechend trainiert - Grundrechenarten wie Addition und Subtraktion.

Um solche Aufgaben zu lösen, sind zwei parallele Arbeitsschritte notwendig, sagt Studienautor Adrien Dyer: „Man muss die Rechenregeln im Langzeitgedächtnis behalten und man muss die Zahlen im Arbeitsgedächtnis manipulieren können.“ Dass das alles mit dem offensichtlich winzigen Bienenhirn möglich ist, wirft wohl neues Licht auf die Intelligenz im Tierreich. Beziehunsgweise auf das, was wir anderen Arten an geistigen Fähigkeiten zusprechen würden.

„Kein großes Gehirn notwendig“

Dyer hält es für durchaus wahrscheinlich, dass auch andere Tiere über derartige Begabungen verfügen. Und betont: „Wenn für Mathematik kein großes Gehirn notwendig ist, dann könnten wir auch die Künstliche Intelligenz mit neuen Designs für schnelle Problemlösungen ausstatten.“ Vielleicht geht das alles einfacher als bisher gedacht: Rechnen nach Art der Biene – formt sich hier ein neues Paradigma der Künstlichen-Intelligenz-Forschung?

Die Studie im Fachblatt „Science Advances“ zeigt jedenfalls, dass man sich abstrakten Problemen auf ganz unterschiedliche Arten nähern kann. Im Fall der Bienen gelang das über Objekte, die in deren natürlichen Lebensraum eine wichtige Rolle spielen, nämlich über Formen und Farben.

Addition ist blau

Dyer und sein Team stellten den Bienen Rechenaufgaben, dargestellt durch verschiedene Symbole (Zahlen eins bis fünf) sowie durch die Farben blau (Addition) und gelb (Subtraktion). In einem Y-förmigen Labyrinth konnten die Tiere dann zwischen zwei Alternativen wählen: Die richtige Antwort wurde mit einer Zuckerlösung belohnt, im anderen Fall stand ein Schälchen mit bitterer Chinin-Lösung bereit.

Wie die Forscher in ihrer Studie schreiben, wählten die Bienen zu Beginn ihren Weg durchs Labyrinth noch zufällig. Doch nach 100 Versuchen erreichten sie eine Trefferquote von 60 bis 75 Prozent. Sie hatten also etwas erlernt, was man - mit anderen Symbolen - „auch Kindern in der Schule beibringt“, sagt Dyer: „Plus bedeutet, dass man etwas dazugeben muss und minus bedeutet, dass man etwas abziehen muss.“ Der australische Forscher geht davon aus, dass Bienen diese Fähigkeit auch in ihrem natürlichen Lebensraum nützen, etwa bei der Orientierung oder der Nahrungssuche.

In diesem Zusammenhang könnte einem auch ein Satz in den Sinn kommen, geäußert anno 1973 von einem Berufenen dieses Forschungsfeldes. Als Karl von Frisch in seiner Nobelpreisrede einem staunenden Publikum die Grammatik des Bienentanzes vorgestellt hatte, schloss er mit den Worten: „Es ist vorstellbar, dass manche Menschen diese Dinge nicht glauben werden. Ich selbst hatte zu Beginn Zweifel.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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