ETH Zürich: Forscher auf „Flugdiät“

Wissenschaft lebt von der internationalen Vernetzung, die Sache hat nur einen Haken: Der Alltag ist mit vielen klimaschädlichen Flugreisen verbunden. An der ETH Zürich wollen die Forscher nicht mehr so weitermachen - und haben sich eine „Flugdiät“ verordnet.

Es ist nicht das erste Mal, dass man an der ETH Zürich versucht, Flugkilometer einzusparen. „Es gab vor etwa zehn Jahren schon einmal einen Versuch. Da hat die Leitung entschieden: Halbierung in zehn Jahren; das ist nicht gelungen“, sagt Ulrich Weidmann, Leiter des Flugreisen-Projektes an der ETH Zürich.

Ziel: Minus elf Prozent

2016 legte ein ETH-Wissenschaftler im Durchschnitt rund 6.000 Flugkilometer zurück. Zusammengerechnet stieß die Belegschaft damit circa 15.000 Tonnen CO2 aus. Das ist mehr als die Hälfte der gesamten CO2-Emissionen, die die Schweizer Hochschule in einem Jahr produziert. Diesen Emissionen will man nun erneut an den Kragen. Die Initiative dazu kam von den Studierenden. Diesmal wurde das Reduktionsziel aber nicht mehr von oben vorgegeben, sondern von der Belegschaft selbst formuliert. „Wir wussten, der Weg muss ein anderer sein“, sagt Weidmann. „Nämlich, dass wir jeder Fakultät sowie der Administration freistellen, wie viel CO2 sie einspart. Nach unserem Kenntnisstand sind wir bisher die Einzigen, die so vorgegangen sind.“

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmete sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 9.2.

Das Ergebnis: In den nächsten sechs Jahren will die gesamte Unibelegschaft im Schnitt elf Prozent der Flug-CO2-Emissionen reduzieren. Dass das ein niedrig gestecktes Ziel ist, lässt Weidmann nicht gelten. „Uns ist es lieber, wenn jetzt bis 2025 elf Prozent real gespart werden, anstatt das Doppelte zu kommunizieren und niemand macht mit. Ich glaube, das ist ehrlicher und wirksamer.“

Zwei Jahre Diskussionen

Die elf Prozent sind dabei alles andere als selbstverständlich. Zwei Jahre lang hat man diskutiert, Einzelgespräche geführt und verschiedenste Gruppen an der Hochschule in einen Austausch gebracht. „Die Zeit muss man sich nehmen. Das ist kein Prozess, der mit Zeitdruck funktioniert.“

Bekämpft wurde das Projekt von keinem, erklärt Weidmann. Vereinzelt musste man aber durchaus Motivationsarbeit leisten. Dass manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weniger motiviert sind als andere, zeigt der Blick hinter das gerundete Elf-Prozent-Ziel. Wollen manche sogar 20 Prozent einsparen, sind es bei anderen nur drei Prozent. „Eine Uni lebt davon, dass die Leute miteinander diskutieren. Man muss aushalten, dass es Departements gibt, die sich weniger hohe Ziele setzen. Das ist der Preis für die Mitbestimmung.“

Flugzeug bei der Landung, bewölkter Himmel

APA/AFP/Ben STANSALL

Das Reduktionsziel ist aber nicht nur eine Frage der persönlichen Bereitschaft, sondern auch eine Frage des Fachs bzw. des jeweiligen Forschungsprojektes. „Disziplinen kommunizieren jeweils anders. Es gibt jene, die schreiben Bücher, die anderen Zeitschriftenartikel, die dritten kommunizieren an Konferenzen. Das heißt, in diesem Fall muss ich zu Konferenzen reisen dürfen, um akademisch präsent zu sein.“ Das gilt vor allem für junge Forscherinnen und Forscher, die sich über Konferenzen in der internationalen Community überhaupt erst sichtbar machen können. Darüber hinaus wird auch jemand, der im Amazonas oder in der Antarktis forscht, zumindest ab und zu den Flug von Zürich aus antreten müssen. „Im Zweifelsfall hat die wissenschaftliche Exzellenz Vorrang“, stellt der Projektleiter und Vizepräsident für Personal und Ressourcen der ETH klar.

Weniger Übersee, mehr Video

Dennoch lassen sich manche Flüge vermeiden oder zumindest besser planen. So fallen vor allem Überseeflüge in der CO2-Bilanz stark ins Gewicht. „Hier könnte man beispielsweise sagen, statt einer Konferenz in Übersee besuche ich ein oder zwei Konferenzen in Europa.“ Und die dann vielleicht sogar mit dem Zug. Auch soll es - wo möglich und sinnvoll - mehr Videokonferenzen geben. Diese Alternative klingt naheliegend, in der Realität ist es aber nicht so leicht umzusetzen, gesteht Weidmann. „Das war etwas ernüchternd für uns. Wir haben gesehen, dass schon die technische Ausrüstung von Universität zu Universität extrem unterschiedlich ist. Zudem ist ein ziemlicher zusätzlicher Organisationsaufwand damit verbunden.“

Wer dennoch fliegen muss, kann zumindest ein wenig CO2 sparen, indem er oder sie ein moderneres Flugzeug wählt, das weniger emittiert. Am Ende wird alles über die übliche Spesenabrechnung erfasst und ausgewertet. „Was nicht zählt, sind Kompensationszahlungen für Flüge. Einige Fakultäten machen das zwar auch, das ist aber nur ein Zusatz. Unser Ziel ist wirklich eine reale Reduktion des CO2-Ausstoßes pro Person.“

CO2-Einsparungen sind auch an Österreichs Universitäten Thema. Das Flugdilemma haben allerdings nur die wenigsten in Angriff genommen.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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