Neue Therapien, aber weiter „Chemo“

Rund 7.700 Menschen in Österreich leben mit Leukämie. Große Hoffnungen werden in neue Therapien gesetzt, die direkt an den Krebszellen ansetzen. Aber auch sie haben Nachteile, weshalb es bei Leukämie auch in Zukunft nicht ohne Chemoimmuntherapie gehen wird.

Die neuen Leukämie-Therapien wirken direkt auf die krankhaften Zellen in Knochenmark und Blut, sie verändern die Tyrosinkinase, einen Signalweg, der das Wachstum der Zelle steuert. „Wenn wir diesen Signalweg hemmen, dann wird die Zelle ruhig geschaltet“, so Leukämie-Experte Philipp Staber von der Medizinischen Universität Wien.

Die Krankheit wird also eingefroren, die Krebszellen können sich nicht weiter vermehren und in den ganzen Körper streuen. Die Patienten und Patientinnen spüren diese Hemmung, indem Lymphknoten und Milz wieder kleiner werden. „Das Verschwinden dieser Tumorlast wird von den Patienten oft als Erleichterung empfunden. Sie haben das Gefühl, wieder durchatmen zu können, fühlen sich leichter und merken, dass eine Last abfällt.“

Angezogene Krankheitsbremse

Bisher hat man mit Hilfe der neuen Medikamente Krebszellen nur bei Patientinnen und Patienten ruhig gestellt, bei denen eine Chemotherapie nicht geholfen hat. Nun sind die neuen Medikamente auch für die Erstbehandlung zugelassen. Das sei aber nicht das Ende der Chemotherapie bei Leukämie, sagt Philipp Staber. Auch die neuen Therapien haben ihre Nachteile, schildert der Onkologe anhand eines Vergleichs: „Wenn man auf die Bremse steigt, wird das Auto langsamer. Sobald man den Fuß aber wieder von der Bremse löst, beschleunigt der Wagen. Genauso beschleunigt auch die Krankheit wieder, wenn das Medikament nicht mehr genommen wird.“

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichtete auch das Mittagsjournal am 13.2.2019.

Patienten seien in gewisser Weise vom Medikament abhängig, können nicht pausieren oder für längere Zeit unterbrechen, so Staber. Das kann ein Problem werden, etwa wenn eine Operation nötig ist. Denn die Medikamente verändern auch das Gerinnungsverhalten des Blutes und müssen vor einem Eingriff abgesetzt werden. „Da haben wir nur ein ganz kleines Fenster zwischen dem Absetzen des Medikaments und dem Wiedererwachen der Leukämie.“ Deshalb heißt es, gemeinsam mit dem Patienten, der Patientin abzuwägen, welche Therapie die beste ist. „Der Vorteil der Chemoimmuntherapie ist, dass eine bestimmte Anzahl von Durchgängen nötig ist, und dann hat der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit für mehrere Jahre Ruhe.“

Öffentliches Geld für Studien

Die neuen Leukämie-Medikamente gehören zu jenen hochpreisigen Krebspräparaten, denen zuletzt auch die WHO einen Bericht gewidmet hat. Philipp Staber beziffert die Kosten mit rund 9.000 Euro pro Monat und Patient. Dass es überhaupt neue Möglichkeiten gibt, liegt auch an der Pharmaindustrie, die die Studien finanziert. Staatliche Finanzierung für klinische Forschung gebe es in Österreich praktisch nicht: „Klinische Studien sind unglaublich teuer. Es wäre durchaus wünschenswert, wenn von öffentlicher Seite aktiv auch klinische Studien unterstützt werden.“

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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