Rätsel um Weintrauben-Plasma gelöst

Kurioses Experiment: Werden Weintrauben in der Mikrowelle erhitzt, entsteht ein extremer Materiezustand namens Plasma. Wie das möglich ist, war bis vor Kurzem rätselhaft. Nun haben kanadische Physiker eine Erklärung gefunden.

Wer auf YouTube die Suchbegriffe „grape microwave plasma“ eingibt, findet reiches Anschauungsmaterial. Zugegeben, einige Videos sind eher der Kategorie Internethumor zuzurechnen, aber das Gezeigte ist tatsächlich physikalisch belegt. Der Trick geht so: Man zerschneide eine Weintrauben-Beere und lasse ein Stückchen Haut als Verbindung zwischen den beiden Hälften (oder Vierteln) bestehen, lege das Ganze in den Mikrowellenherd - und staune: Die Lichtblitze, die dann entstehen, stammen von plasmatischer Materie.

Manche Atome sind also so energiereich, dass sie ihre wohlgeordnete Form verlieren und eine Art Materiesuppe mit freien Elektronen bilden. An sich ein längst beschriebenes Phänomen, bekannt etwa auf der Erde von Gewittern und im Universum von Sternen oder interstellarer Materie. Nur: Was, bitte schön, haben Weintrauben mit Sternen zu tun?

„Nicht viel“, sagt Pablo Bianucci von der Concordia University in Montreal. „Sterne sind im Gegensatz zu Weintrauben extrem heiß. Die einzige Gemeinsamkeit ist, dass sie beide metallische Ionen enthalten. Die braucht man, um Plasma herzustellen.“

Resonanzen erzeugen Plasma

Die Idee, das Phänomen zu untersuchen, hatte Bioanuccis Kollege Aaron Slepkov. Zu Beginn experimentierte der Physiker von der kanadischen Trent University während eines Sommerkurses mit ein paar Studenten, machte Aufnahmen mit Wärmebildkameras - und versuchte schrittweise herauszufinden, welche Physik für die seltsame Reaktion verantwortlich ist. Nach sechs Jahren Tüftelei und Versuchen mit zwölf verschiedenen Mikrowellenherden können die Physiker eine Antwort geben. „Letztlich geht es um die Wellenlänge der Mikrowellen“, sagt Bianucci. „Sie beträgt im Wasser ca. 1,5 Zentimeter. Was ungefähr der Größe der Trauben entspricht - und das ist entscheidend.“

Zwei Weintrauben in der Mikrowelle - dazwischen ein Lichtblitz

Aaron Slepkov

Lichtblitz im Mikrowellenherd

Wie Bianucci nun mit Slekpov und dem Physikstudenten Hamza Khattak im Fachblatt „PNAS“ schreibt, werden die Mikrowellen an den Beeren gestreut. Liegen zwei Beeren ganz nahe nebeneinander, kommt es zu „kooperativen“, also sich gegenseitig verstärkenden Resonanzen. Dadurch entsteht ein elektromagnetischer Hotspot mit so hoher Energie, dass die Elektronen von den metallischen Ionen gefräst werden und die Materie tatsächlich kurzfristig in Plasma verwandeln.

Woraus folgt: Der Versuch funktioniert auch mit ganzen Beeren, sofern sie direkt nebeneinander platziert werden und während der Erhitzung nicht wegrollen (wie die Forscher in einem Video belegen). Und er funktioniert auch mit anderen Obstsorten, zum Beispiel mit Physalis und Heidelbeeren. Sie müssen bloß annähernd kugelförmig sein und eine ähnliche Größe aufweisen. Das haben auch schon experimentierfreudige YouTuber bemerkt - hier etwa.

Robert Czepel, science.ORF.at

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