Wissenschaft als Frage der Kontrolle

Der Abzug der Central European University, Proteste an der ungarischen Akademie der Wissenschaften - Zeichen für einen Anschlag auf die Freiheit der Wissenschaft? Es gehe um Kontrolle, so ein Politikwissenschaftler. Die Wissenschaft sei ein weiteres Beispiel.

Die Wissenschaft ist normalerweise kein Thema, mit dem sich breitenwirksam Politik machen lässt. Die Freiheit der Forschung ist zu abstrakt, das Budget zu klein, als dass sich große Teile der Bevölkerung damit ansprechen lassen. Dass die ungarische Regierung Einrichtungen wie die CEU und die Akademie der Wissenschaften ins Zentrum ihrer Politik rückt, habe einen anderen Hintergrund, so Carsten Schneider, der an der CEU zu Demokratie forscht: „Sie sendet nach außen das Signal: Schaut her, wir können das machen.“

Internationales Signal aus Ungarn

Mit dem neuen Hochschulgesetz darf die CEU keine US-amerikanischen Diplome mehr vergeben, auch das habe Symbolwirkung: „Wir können den Amerikanern auf der Nase rumtanzen, wir können der EU auf der Nase rumtanzen - macht es doch auch in Italien und Polen, es geht!“

Ö1 Sendungshinweis:

Über das Thema berichten auch die Journale am 23.2.2019.

Die Wissenschaft sei da nur ein Thema in einer ganzen Palette, der Politikwissenschaftler nennt auch Schulbücher, Museen, Theater - letztlich gehe es immer um Kontrolle: „Das Problem der Regierung mit der CEU ist, dass wir kein Geld aus dem ungarischen Budget erhalten, dafür bezahlen wir aber sehr viel Steuern. Und da wir eine amerikanische Akkreditierung haben, dürfen wir auch unterrichten, was wir wollen.“ Dazu gehören zum Beispiel auch Gender Studies, wenn die CEU hier Geld investieren möchte, konnte sie das bisher tun - im Gegensatz zur staatlich finanzierten ELTE-Universität in Budapest etwa, wo Geschlechterforschung im Herbst 2018 verboten wurde.

Start in Wien im Herbst

Die CEU finanziert sich vor allem aus einer von dem US-Milliardär George Soros gespeisten Stiftung. Die Universität hat bis Anfang 2019 US-amerikanische und ungarische Abschlüsse vergeben, das hat sich mit dem neuen Hochschulgesetz in Ungarn geändert, nun dürfen keine neuen Studierenden für nur in den USA akkreditierte Lehrgänge - beispielsweise Soziologie und Rechtswissenschaften - aufgenommen werden. Die Lehrgänge mit amerikanischen Abschluss werden deshalb nach Wien übersiedelt, ab Herbst starten hier die ersten Studierenden.

Eine große Aufschrift "CEU" mit einem Verkehrszeichen für eine Weggabelung im Vordergrund

APA/AFP/Attila Kisbenedek

Die CEU hat die Abzweigung nach Wien genommen, im Herbst starten hier die ersten Studierenden.

Derzeit finden erste Gespräche statt, inwieweit Fachbereiche der CEU mit Instituten in Wien enger kooperieren können. Carsten Schneider war für Gespräche mit der Wiener Politikwissenschaft in Österreich und hat einen Vortrag am Institut für Höhere Studien gehalten. Apropos Kooperationen: Solche gibt es derzeit auch mit ungarischen Instituten, so führt die CEU gemeinsam mit der ELTE-Universität in Budapest eine Bibliothek zu Mittelalterstudien. Die Bibliothek der CEU selbst ist die größte englischsprachige Bibliothek in Ungarn, sie steht allen Interessierten offen und wird zu zwei Dritteln von Menschen ohne CEU-Zugehörigkeit genutzt. Ob und wie sich diese Kooperationen bzw. Angebote fortführen lassen, ist offen.

Thema im EU-Wahlkampf?

Ebenso offen ist, ob der Umgang mit wissenschaftlichen Einrichtungen in Ungarn eine Rolle im EU-Wahlkampf spielen wird. Auch hier müsse man die Wissenschaft im Verbund mit anderen Themen sehen, mit Blick auf die letzten Monate sagt der Politikwissenschaftler Carsten Schneider: „Ich denke, das Europaparlament und die EU-Kommission haben ihren Teil getan. Wer nicht offen für Grundwerte der liberalen Demokratie eingetreten ist, sind die einzelnen Regierungen, und da insbesondere jene, die mit FIDESZ in der gleichen Fraktion im Europaparlament sitzen.“

Zuletzt wurden kritische Stimmen aus der Europäischen Volkspartei (EVP) lauter, zu der auch die ungarische Regierungspartei FIDESZ gehört - ob das zu konkreten Schritten, etwa einen Ausschluss von FIDESZ aus der EVP führen wird, bleibt abzuwarten.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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