Klimapolitik in Österreich zu „zentralistisch“

An der Klimapolitik in Österreich hat sich seit 2013 wenig geändert – trotz neuer Regierung. Das zeigt eine neue Netzwerkanalyse. Zwischen den zentralen Akteuren und regionalen Initiativen gibt es demnach zu wenig Austausch.

Blickt man auf das Netzwerk der österreichischen Klimapolitik, dann sieht man: Im Zentrum stehen Umwelt- und Infrastrukturministerium, der Klima- und Energiefonds, Wirtschaftskammer, große Unternehmen und Energieversorger wie Voest und Verbund. Am Rand stehen die Bundesländer und Gemeinden, innovative neue Unternehmen und Initiativen.

Das Netzwerk der österreichischen Klimapolitik

Bilder von FAS.research, Animation von Elke Ziegler, science.ORF.at

Ein Ausschnitt aus dem Netzwerk der österreichischen Klimapolitik: Ein eng vernetztes Zentrum steht einer Peripherie aus zahlreichen, kaum angebundenen Start-ups, Projekten und Initiativen gegenüber. Von der Wissenschaft ist nur die Universität für Bodenkultur nahe am Zentrum, davon abgesehen findet sich die Klimaforschung in der Peripherie.

Diese Gewichtung in eng vernetztes Zentrum und wenig vernetzte Peripherie ist in der Netzwerkanalyse nicht willkürlich, sie steht für Machtverhältnisse, sagt Harald Katzmair, Geschäftsführer von FAS.research: „Die Spielregeln werden nie in der Peripherie, sondern immer im Zentrum verhandelt. Die Frage ist, wer am Tisch der Macht sitzt.“

In dem vom Klima- und Energiefonds geförderten Projekt „RIPA – Roadmap to the Implementation of the Paris Agreement“ untersuchen Katzmair und seine Kolleginnen derzeit die österreichische Klimapolitik. 799 aus Datenschutzgründen nicht namentlich genannte Personen und 549 Institutionen aus Politik (orange), Wirtschaft (blau), Zivilgesellschaft (gelb) und Wissenschaft (grau) wurden im Netzwerk erfasst.

Ö1 Sendungshinweis:

Über das Netzwerk der Klimapolitik berichteten auch die Journale am 4.3.2019., 8 Uhr

„Die regionalen, autonomen Lösungen sind oft wunderbar, sehr innovativ und engagiert. Aber sie reichen eben nur bis zu einem bestimmten Moment. Es braucht andere Vehikel, um voranzukommen, um zu beschleunigen“, so Katzmair, und er meint damit Vorgaben, die der Bund machen müsste, zum Beispiel: Steuern auf fossile Energieträger erhöhen, Abgaben auf erneuerbare senken. Oder: Förderungen für Wirtschaft und Landwirtschaft an Klimaauflagen koppeln. Dabei geht es nicht darum, dass die Ministerien diktieren und alle anderen folgen müssen. Ein Netzwerk bringt dann Neues hervor, wenn sich alle Teile austauschen.

Die wenig vernetzte Peripherie der österreichischen Klimapolitik

Bilder von FAS.research, Animation von Elke Ziegler, science.ORF.at

Ein Ausschnitt aus der wenig vernetzten Peripherie des Netzwerks: Damit die Klimapolitik durch ihre Ideen Fahrt aufnimmt, bräuchte es mehr Austausch mit dem Zentrum.

All diese Stakeholder müsse man zusammenzubringen und mit ihnen gemeinsam erarbeiten, wo in diesem Netzwerk angesetzt werden muss, sagt Harald Katzmair. „Letztlich geht es darum: Wie können wir einen gemeinsamen Orientierungs- und Richtungssinn entwickeln, eine Stoßrichtung für die nächsten 15 Jahre?“ Die Wiener Netzwerkanalytiker beschäftigen sich seit 2013 mit der österreichischen Klimapolitik, schon damals haben sie den mangelnden Austausch als Hauptproblem identifiziert. Dass in der Zwischenzeit die Regierung gewechselt hat, habe die Situation nicht verändert: „Wir sehen keine substanzielle Verbesserung, aber auch keine Verschlechterung in der Klimapolitik.“

Einzige Unterschiede: In den letzten Jahren hat sich die Anzahl der Klimaprojekte, der Neugründungen von klimafreundlichen Unternehmen verdoppelt. Und: 2013 hat es noch keine Politiker in hohen Regierungsämtern gegeben, die den Anteil des Menschen am Klimawandel in Frage stellen. Hinter diesen Stimmen stehe nicht die Absicht, die Klimapolitik auszuhebeln, so Katzmair: „Es ist eine politische Angelegenheit, generell einen Skeptizismus gegenüber etablierten Institutionen wie Forschung und Universitäten zu erhöhen und zu bedienen.“ Die faktische Klimapolitik haben diese Äußerungen nicht verändert, das zeigen die nahezu deckungsgleichen Netzwerkbilder von 2013 und heute.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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