Software erkennt seltene Krankheiten

In der alltäglichen Praxis haben Ärzte und Ärztinnen kaum Kontakt mit seltenen Krankheiten. Betroffene Menschen müssen oft lange suchen, bis sie die richtige Diagnose bekommen. Eine neue Software soll diesen Weg abkürzen.

Betrifft eine Krankheit nur einen von 2.000 Menschen, spricht man von einer seltenen Erkrankung. Das Mabry-Syndrom etwa ist so eine sehr seltene, angeborene Erkrankung. 30 Gene sind bei Menschen mit Mabry-Syndrom verändert, und das zeigt sich auch im Gesicht, wie der Bioinformatiker Peter Krawitz vom Universitätsklinikum Bonn schildert: „Die Pupillen stehen ein bisschen weiter auseinander, außerdem haben die Menschen eine tief liegende Nasenwurzel und volle Lippen.“

Wegweiser für weitere Untersuchungen

Keine dieser Auffälligkeiten ist für sich genommen ein eindeutiger Hinweis auf das Mabry-Syndrom. Erst aus dem Gesamtbild ergibt sich ein Hinweis für die Diagnose, dazu muss die Information vernetzt und interpretiert werden - und hier kann künstliche Intelligenz unterstützen: „Diese Software ist ein neuronales Netz, das auf Muster trainiert wird. Den Wiedererkennungswert kann man messen.“

Das Gesicht eines Kindes in der ersten Phase der automatisierten Verarbeitung

DeepGestalt

Die Software bricht Porträtaufnahmen von Kindern auf kleinste Bausteine herunter, aus der Vernetzung der Besonderheiten macht sie diagnostische Vorschläge.

Gemeinsam mit Kollegen aus den USA und Israel hat Peter Krawitz die Software DeepGestalt trainiert, so dass sie laut einer in „Nature Medicine“ veröffentlichten Studie die Charakteristika von mehr als 200 seltenen vererbten Krankheiten aus Porträtfotos ablesen kann. Als Ergebnis spuckt sie eine Liste mit Wahrscheinlichkeiten aus, die als Wegweiser für Untersuchungen dient: „Es geht darum, die Priorisierung möglichst ausgefeilt zu gestalten, so dass man bei der Diagnose Zeit spart. Das Ergebnis von DeepGestalt ist wie eine weitere Expertenmeinung“, so Krawitz.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichtet anlässlich des „Internationalen Tags der Seltenen Erkrankungen“ auch Wissen aktuell am 28.2.2019, 13:55 Uhr

Eine aktuell noch laufende Studie zeigt: Das Labor kann gut an die Ergebnisse der Bildauswertung anschließen, die genetischen Ursachen für eine Krankheit werden schneller gefunden. In rund 1.000 Kliniken weltweit wird die Software laut Peter Krawitz bereits verwendet, allein in Deutschland arbeiten neun Universitätszentren mit dem Programm. Es ist nur für medizinische Behandlungen zugelassen, um Missbrauch zu vermeiden, können ausschließlich Ärzte zugreifen. Wobei man sich nicht nur an den spezialisierten Genetiker wendet, sondern letztlich den praktischen Arzt, die Allgemeinmedizinerin in die richtige Richtung lenken möchte - und damit letztlich auch betroffenen Menschen helfen, indem sie schneller Gewissheit haben.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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