Zwillinge: Zweieiig und eineiig zugleich

Ein Zwillingspaar, genetisch zur Hälfte völlig identisch - über diesen seltenen Zwillingstypus berichten nun australische Forscher. Es ist erst der zweite derartige dokumentierte Fall.

Durch Zufall stießen US-Forscher vom Banner Good Samaritanian Center vor gut zehn Jahren das erste Mal auf einen genetisch außergewöhnlichen Zwillingstypus. Sie waren auf die Kinder aufmerksam geworden, da eines von ihnen männliche sowie weibliche Geschlechtsmerkmale hatte. Das erste war ein Hermaphrodit, das zweite ein Bub.

Bei der Analyse des Erbguts (Human Genetics, 2007) entdeckten sie eine eigentümliche Mischung. Die mütterlichen Anteile waren völlig identisch - wie bei eineiigen Zwillingen. Bei den väterlichen Genen war nur die Hälfte identisch - so wie bei „normalen“ Geschwistern und bei zweieiigen Zwillingen.

Teilung nach doppelter Befruchtung

Die Erklärung der Mediziner: Vermutlich war eine einzige Eizelle von zwei Spermien befruchtet worden. Normalerweise sind solche Embryonen nicht überlebensfähig, in diesem einzigartigen Fall dürfte sich die Eizelle aber danach geteilt haben. Die Gene beider Spermien wurden dabei auf die beiden Embryonen aufgeteilt. Dadurch lässt sich auch die spätere Mischung von weiblichen und männlichen Geschlechtsmerkmalen erklären. Bei eineiigen (monozygot) Zwillingen teilt sich eine durch ein Spermium befruchtete Eizelle, bei zweieiigen (dizygot) werden zwei Eizellen von zwei Spermien befruchtet.

Illustration: Zwei Spermien befruchten eine Eizelle

Queensland University of Technology

Zwei Spermien befruchten eine Eizelle

Forscher hielten es damals allerdings für wenig wahrscheinlich, jemals wieder auf so ein spezielles Zwillingspaar (sesquizygot) zu stoßen, wiewohl die theoretische Möglichkeit dazu schon Jahre zuvor beschrieben worden war.

Nicht ganz identisch

Jetzt berichten australische Forscher um Nicholas Fisk im „New England Journal of Medicine“ von einem weiteren Fall, entdeckt haben sie die Besonderheit sogar schon im Mutterleib einer Schwangeren am Royal Brisbane and Women’s Hospital im Jahr 2014.

Bei einer Ultraschalluntersuchung in der sechsten Schwangerschaftswoche deutete alles darauf hin, dass es sich um eineiige Zwillinge handelt; unter anderem gab es nur eine Plazenta. In der 14. Woche stellten die Mediziner aber einigermaßen überrascht fest, dass es sich um ein Mädchen und einen Buben handelt. Identische Zwillinge müssten aber naturgemäß immer dasselbe Geschlecht haben.

Wie bei den US-Zwillingen dürfte sich die Eizelle nach der Befruchtung durch zwei Spermien geteilt haben. Die mütterlichen Gene sind daher identisch, die väterlichen hingegen nur teilweise gleich. Das ungewöhnliche Geschwisterpaar ist mittlerweile vier Jahre alt und gesund.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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