Quallengene: aus alt mach neu
Die Nesseltiere (Cnidaria), zu denen Quallen zählen, haben sich als eine der ersten tierischen Linien vor rund 700 Millionen Jahren entwickelt. Forscher um Richard Copley vom CNRS Villefranche haben nun das Genom der weitverbreiteten, nur wenige Zentimeter großen Qualle Clytia hemisphaerica. Dabei wollte das Team, zu dem u.a. auch Ulrich Technau vom Department für Molekulare Evolution und Entwicklung der Universität Wien zählt, vor allem herausfinden, welche Gene dafür verantwortlich sind, dass sich die Tiere im Laufe ihres Lebens vom ungeschlechtlichen, fix an einem Ort lebenden Polyp, zu jener frei im Wasser schwebenden Form entwickeln, die landläufig unter Qualle (Meduse) verstanden wird.
Hanna Kraus Department für Molekulare Evolution und Entwicklung
Dahinter steht die Frage, ob es sich bei der reproduktiv aktiven Qualle um eine „unabhängige Neuerfindung innerhalb einer Gruppe von Nesseltieren“ handelt, oder ob die Fähigkeit zu dieser Umwandlung bei anderen Cnidaria-Vertretern, wie Korallen und Seeanemonen verloren ging, wie es am Montag in einer Aussendung heißt. „Überraschenderweise fanden wir kein quallenspezifisches Genrepertoire, sondern eine Kombination von neuen und alten, das heißt konservierten Genen, die die Quallenbildung kontrolliert“, sagte Technau.
Die Studie
„The genome of the jellyfish Clytia hemisphaerica and the evolution of the cnidarian life-cycle“, Nature Ecology and Evolution, 11.3.2019
Umgekehrt fanden die Forscher Hinweise darauf, dass andere Arten bestimmte genetische Faktoren verloren haben, die es zur Bildung der Medusen braucht. Den Quallen wiederum kamen jene Teile des Erbgutes abhanden, die den Seeanemonen eine zweite Körperachse geben.
Die Wissenschaftler gehen daher davon aus, dass es bei der Evolution der Qualle kaum echte Erbgut-Neuentwicklungen gab, sondern vor allem auf bereits zuvor vorhandene Gene zurückgegriffen wurde. Dass den Tieren ihre zweite Körperachse abhandenkam, sie also im Lauf der Zeit eine einfachere Form entwickelten, sei somit ein Hinweis darauf, dass die Evolution nicht immer in Richtung höhere Komplexität zustrebe, so Technau.
science.ORF.at/APA