Endometriose: Die große Unbekannte

Bis zu 300.000 Frauen leiden in Österreich an Endometriose, weltweit ist etwa jede siebente Frau im reproduktionsfähigen Alter betroffen. Trotzdem gibt es wenig Wissen über die chronische Erkrankung. Eine neue Kampagne will das ändern.

Bei Endometriose treten Zellen der Gebärmutterschleimhaut - des Endometriums - auch außerhalb der Gebärmutter auf, meist im Bauchraum, etwa im Bereich der Eierstöcke oder des Darms. Wie die Gebärmutterschleimhaut werden auch diese Zellen, sogenannte Endometrioseherde, von den weiblichen Hormonen gesteuert. Im Zuge der Menstruation können sie zu bluten beginnen und schmerzhafte Entzündungen verursachen. Diese können zu Verwachsungen und Vernarbungen führen. Es können sich auch Zysten, etwa im Bereich der Eierstöcke, entwickeln.

Zwischen 120.000 und 300.000 Frauen in Österreich sind von der chronischen Erkrankung betroffen, die Dunkelziffer ist hoch. Denn zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der Diagnose vergehen durchschnittlich sieben bis neun Jahre. Die Medizinischen Universitäten Wien, Graz und Innsbruck haben daher eine Kampagne gestartet, um das Bewusstsein für Endometriose zu steigern – und für Unfruchtbarkeit, zu der die Erkrankung oft führt. Wird sie frühzeitig erkannt, kann sie aber relativ gut behandelt werden und die Betroffenen können trotzdem Kinder bekommen, so die Initiatoren.

Unfruchtbarkeit durch Endometriose

Endometriose kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Bei manchen verläuft sie fast problemlos, viele Frauen sind durch extreme Schmerzen aber massiv in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Wie der Leiter der Kampagne, Kazem Nouri von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der MedUni Wien, erklärt, führt Endometriose nicht immer zu Unfruchtbarkeit. Allerdings ist sie oft für einen unerfüllten Kinderwunsch verantwortlich: „Bei zumindest einem Viertel der Patientinnen, die in Österreich in den letzten Jahren eine In-Vitro-Fertilisation gemacht haben, wurde Endometriose als Faktor für die Infertilität angegeben.“

Denn wenn Entzündungen im kleinen Becken entstehen, können diese zu Verwachsungen führen, etwa im Bereich des Eileiters. Dadurch werden die Eileiter mechanisch verschlossen. „Außerdem können Endometrioseherde im Bereich der Eierstöcke Zysten verursachen, die dazu führen, dass der Eisprung unterdrückt wird. Und Endometrioseherde innerhalb der Eierstöcke können per se auch zu einer Verringerung der Anzahl und der Qualität der Eizellen innerhalb des Eierstocks führen,“ erklärt Nouri gegenüber science.ORF.at.

Diagnose oft sehr spät

Aber auch für Patientinnen ohne Kinderwunsch kann die Krankheit aufgrund der schmerzhaften Symptome sehr belastend sein. Vor allem, wenn sie lange nicht erkannt wird: „Viele Frauen haben bei der Menstruation starke Schmerzen, verbinden dies aber überhaupt nicht mit Endometriose und leiden so jahrelang – und zwar unnötig“, so Kazem Nouri. „Es soll jeder Frau bewusst sein: Wenn die Schmerzen bei der Regel über ein normales Maß hinausgehen, wenn sonstige Beschwerden dazukommen, wie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Probleme der Darmtätigkeit, dann kann tatsächlich eine Endometriose dahinter sein. Das bedeutet im Zweifelsfall lieber den niedergelassenen Gynäkologen aufsuchen und diese Problematik dem Arzt, der Ärztin erklären“.

Betroffene Patientinnen berichten aber auch von zu wenig Bewusstsein und Kompetenz unter den niedergelassenen Ärzten. Sie wurden oft lange nicht ernstgenommen, bis es zu einer Diagnose kam. Mittlerweile gibt es in Österreich aber zumindest 15 spezialisierte Endometriose-Zentren, auch am AKH Wien sowie an den Frauenkliniken in Graz und Innsbruck, an die sich betroffene Frauen wenden können.

Aber auch auf struktureller Ebene ist noch viel zu tun: „Es gibt zu wenig Aufmerksamkeit von der Politik, zu wenig Wissen seitens der Ärzte und viel zu wenig Forschungsgeld im Verhältnis dazu, dass so viele Frauen betroffen sind“ betont auch der Gynäkologe Farr Nezhat, Initiator des World Wide Endomarch – einer Bewegung, die seit fünf Jahren mehr Aufmerksamkeit für die Krankheit einfordert – bei der Eröffnung der Kampagne der österreichischen Universitäten.

Zu wenig Forschung

Auch Kazem Nouri findet, dass es noch viel zu tun gibt in der Forschung: „Einerseits ist eine eindeutige Diagnose relativ kompliziert. Endometriose-Zysten kann man bei einer gynäkologischen Untersuchung mit Hilfe eines Ultraschalls erkennen, aber es gibt auch kleinere Endometrioseherde, die nur wenige Millimeter groß sind. Diese kleinen Herde kann man mittels Ultraschall nicht diagnostizieren, sondern nur mittels Laparoskopie, also Bauchspiegelung“, so Nouri.

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Einfachere Diagnosemöglichkeiten - etwa durch einen Bluttest - wären das Ziel, von dem man aber noch weit entfernt ist. Zum anderen tappe man bezüglich der Ursachen von Endometriose noch weitgehend im Dunkeln: „Es gibt nur Hypothesen darüber, warum überhaupt Endometriose entsteht. Das heißt, wenn wir endlich herausfinden, was die eigentliche Ursache ist, sind wir höchstwahrscheinlich in der Lage, sie auch einfacher zu diagnostizieren und vielleicht finden wir auch eine einfache Therapie“, hofft der Mediziner.

Im Moment gibt es folglich noch keine ursächliche Therapie, man kann nur die Symptome behandeln. Entweder medikamentös - mit Hormonen oder Schmerzmitteln - oder durch die operative Entfernung der Endometrioseherde. Manche Patientinnen können ihre Symptome auch über eine Ernährungsumstellung ein wenig lindern.

Julia Geistberger, science.ORF.at

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