Angriff auf die grüne Lunge

Für den neuen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro ist der Dschungel ist allem eine Wirtschaftsressource. Kritiker befürchten, dass er den Holzfällern weitgehend freie Hand lässt. Neue Daten von Umweltschützern scheinen das zu bestätigen.

Nach Angaben des Forschungsinstituts Imazon legte die Abholzung im brasilianischen Amazonasgebiet im Jänner - dem ersten Monat von Bolsonaros Amtszeit - um 54 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu.

Der Hauptanteil der Abholzung fand demnach auf Privatgelände statt, sieben Prozent auf Ländereien der indigenen Gemeinschaften, fünf Prozent in ausgewiesenen Naturschutzgebieten. Allerdings hatte auch schon vor Bolsonaros Amtsantritt die Abholzung kräftig zugelegt.

„Die Bekämpfung der Abholzung liegt in der Verantwortung Brasiliens und sollte eine Priorität der Regierung sein“, sagte Carolina Marçal von der Naturschutzorganisation Greenpeace im Vorfeld des Internationalen Tag des Waldes am 21. März. „Die neue Regierung verfolgt eine Politik, die die Rechte der indigenen und angestammten Bevölkerung verletzt und zu mehr Gewalt auf dem Land und mehr Umweltzerstörung führt.“

Klimaschutz in Gefahr

Bolsonaro hat immer wieder klar gemacht, dass Umweltschutz und der Kampf gegen den Klimawandel nicht ganz oben auf seiner Prioritätenliste stehen. Er will keine neuen Schutzgebiete im Amazonasgebiet ausweisen, weitere Rodungen im Regenwald zulassen und den Umweltschutz an den Bedürfnissen der Wirtschaft ausrichten. „Unter dem indigenen Land liegt Wohlstand“, sagte er einmal.

Amazonien: Abholzung im Regenwald

ASSOCIATED PRESS

Gleich nach seinem Amtsantritt an Neujahr übertrug er die Zuständigkeit für die Schutzgebiete der indigenen und afrobrasilianischen Gemeinschaften dem Landwirtschaftsministerium. An die Spitze des Ressorts setzte er die einflussreiche Agrar-Lobbyistin Tereza Cristina. Kritiker meinen, damit werde der Bock zum Gärtner gemacht.

Der Richtungswechsel könnte auch den internationalen Klimaschutz in Gefahr bringen, da sich die indigenen Gemeinschaften Brasiliens traditionell als „Hüter des Waldes“ verstehen und Widerstand gegen die großflächige Abholzung leisten. Brasilien kommt im Kampf gegen den Klimawandel eine wichtige Rolle zu, da das Amazonasgebiet als CO2-Speicher von globaler Bedeutung ist.

Forscher sagen lokale Erwärmung voraus

Direkt vor Ort dürften die Folgen der Abholzung auf das Klima sogar noch schneller und stärker zu spüren sein. In tropischen Regionen sorgen Wälder durch Sonnenreflexion und Verdunstung für Abkühlung. Sollte der Verlust von Waldflächen in Brasilien im gleichen Tempo bis bisher voranschreiten, könnte laut einer Studie der Universität von Rio de Janeiro die Durchschnittstemperatur in der Region bis 2050 um bis zu 1,45 Grad steigen.

„Höhere Temperaturen in bereits warmen Gebieten könnten Sterblichkeitsraten und Strombedarf erhöhen, die landwirtschaftlichen Erträge und Wasservorräte reduzieren und zu einem Kollaps der Artenvielfalt beitragen“, schreiben die Autoren der Studie im Fachmagazin „Plos One“.

Grafik: Zusammenhang zwischen Waldbedeckung und Temperatur

Prevedello et al, 2019

Wie der Wald die Temperatur beeinflusst

Die gute Nachricht: Trotz der massiven Abholzung im Amazonasgebiet ist die Erde laut der US-Raumfahrtbehörde Nasa heute allerdings grüner als vor 20 Jahren. Verantwortlich für den Anstieg seien vor allem Aufforstungsprojekte in China und intensivere Landwirtschaft in Indien, heißt es in dem Nasa-Bericht. Allerdings könnten diese neuen Pflanzungen den Verlust an Biodiversität durch die Abholzung beispielsweise in Brasilien und Indonesien nicht ausgleichen.

Für Bolsonaro stellt der Amazonas-Regenwald vor allem ein bislang ungenutztes wirtschaftliches Potenzial dar. „Brasilien tut sehr viel für die Umwelt und den Naturschutz“, sagte er zuletzt auf der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos. Das Land verfüge über zahlreiche natürliche Ressourcen - das wolle er nutzen. „Wir wollen Fortschritt erzielen und gleichzeitig die Umwelt schützen und Artenvielfalt erhalten.“

science.ORF.at/dpa

Mehr zu diesem Thema: