Flucht aus der Sklaverei

Rund zwölf Millionen Menschen sind dem transatlantischen Sklavenhandel ab dem 16. Jahrhundert zum Opfer gefallen. Doch viele nahmen ihr Schicksal keineswegs passiv hin. Auch nicht die Frauen, sie hatten eigene Widerstands- und Fluchtstrategien.

Kommenden Montag, 25. März, erinnert der „Internationale Gedenktag an die Opfer der Sklaverei und des Transatlantischen Sklavenhandels“ an die Geschehnisse.

Sexuelle Ausbeutung

In einem System absoluter Rechtlosigkeit waren jegliches Aufbegehren und jeder Fluchtversuch von Sklaven mit einem großen Risiko verbunden. Rebellion und Aufstände wurden brutal bestraft, niedergeschlagen und zumeist mit dem Tod bestraft. Besonders Sklavinnen litten unter der Sklaverei. Oft waren sie nicht nur der sexuellen Ausbeutung durch ihre männlichen Eigentümer ausgesetzt, sondern hatten auch weniger Möglichkeiten zu fliehen, wenn sie Kinder hatten.

Für Frauen mit Kindern war die Flucht besonders schwer, South Carolina 1860

Library of Congress, 1862

Für Frauen mit Kindern war die Flucht besonders schwer, South Carolina 1860

Denn „eine Flucht mit Kindern barg das große Risiko entdeckt zu werden“, so die Historikerin Birgitta Bader-Zaar von der Universität Wien, die sich mit der Geschichte der Antisklavereibewegung beschäftigt. Flucht war für viele Sklavinnen schlicht keine Option, da es bedeutet hätte, ihre Kinder zurückzulassen. Sie nutzten daher oft andere Widerstandsformen, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen oder ihrem Status als unfreie Sklavinnen zu entkommen.

Harriet Ann Jacobs – Autorin und Abolitionistin

Berühmtes Beispiel dafür ist die Afroamerikanerin Harriet Ann Jacobs aus den Südstaaten der USA. Mit ihrer Autobiografie “Incidents in the Life of a Slave Girl” (1861) sorgte sie Ende des 19. Jahrhunderts für Kontroversen. Darin schildert sie nicht nur ihre fast idyllisch anmutende Kindheit auf einer Plantage, sondern auch die sexuelle Belästigung durch ihren Eigentümer und schließlich die Flucht in die Nordstaaten – die ihr gelingt, indem sie sich einen weißen Liebhaber zulegt.

Harriet Ann Jacobs: Entflohene Sklavin, Buchautorin, Frauen- und Menschenrechtsaktivistin

Public Domain

Harriet Ann Jacobs

Ihr Werk gehört zur literarischen Gattung der „slave narratives“ - autobiografische Erzählungen, die Ende des 18. Jahrhunderts von ehemaligen Sklaven veröffentlicht wurden - unterstützt von der der Antisklavereibewegung. Mit den Beschreibungen von Leid, Folter und Fluchtgeschichten sollten weiße Anhänger für die Bewegung gewonnen werden, so Bader-Zaar.

Harriet Ann Jacobs schreibt unter dem Synonym „Linda Brent“ und übt nicht nur Kritik am System der Sklaverei, sondern auch am vorherrschenden Geschlechterbild des 18. Jahrhunderts, dem eine afroamerikanische Frau aufgrund ihres Gesellschaftsstatus nie gerecht werden konnte. Tugenden wie Reinheit, Frömmigkeit und Gehorsam wurden weißen Frauen zugesprochen, afroamerikanische Frauen wurden in diesem Gesellschaftskonstrukt weder als vollwertiger Mensch, noch als Frau anerkannt.

Sich als Frau also einen Liebhaber zu nehmen, entsprach nicht dem Idealbild der weißen Frau und schon gar nicht dem einer Sklavin. Dementsprechend sorgte die Veröffentlichung von Jacobs Lebensgeschichte für Aufregung in der amerikanischen Gesellschaft, und für Bewunderung und Inspiration in der Frauenrechtsbewegung des 20. Jahrhunderts.

Sendungshinweis:

Universum History: „Stadt der Hoffnung- Flucht aus der Sklaverei“, Fr. 22.3., 22:35 ORF2

Der innerafrikanische Sklavenhandel

Der transatlantische Sklavenhandel konnte sich etablieren, weil zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Sklaverei in Westafrika bereits existierte. „Der innerafrikanische Sklavenhandel ermöglichte europäischen Sklavenhändlern, ein funktionierendes System einfach zu übernehmen und mithilfe afrikanischer Sklavenhändler auszubauen“, erklärt die Historikerin Marie Rodet, Professorin an der SOAS University in London. Sie beschäftigt sich mit den geschlechterspezifischen Fluchtstrategien von Sklavinnen und Sklaven in Westafrika.

Universum-Podcast

Der Podcast „Universum HERstory“ macht Frauengeschichten hörbar und beleuchtet historische Themen aus geschlechterspezifischer Sicht, begleitend zu den Universum History-Fernsehdokus. Aktuelles Thema: „Ain´t I a Woman?- Sklavinnen im Widerstand“

Die europäischen Kolonialmächte waren an der Küste Afrikas stationiert und konnten die Sklaverei nach Abschaffung daher nur in ihren eigenen Enklaven verbieten. Das war der Grund, weshalb die Sklaverei innerhalb Westafrikas überhaupt bis ins 20. Jahrhundert weitergeführt werden konnte. Im Zeitraum von 1890 bis 1920 kam es in der Region zu einer Welle von Fluchtbewegungen von Sklaven, die ihr Schicksal nicht mehr hinnehmen wollten. Anders als in Amerika zeigt die Auswertung der bestehenden Quellen und Archive, dass dort mehr Frauen als Männer geflüchtet sind.

Die Fluchtstrategien der Sklavinnen

Die wissenschaftliche Annahme, dass es auch in Westafrika für Männer einfacher war zu fliehen als für Frauen, wurde durch Marie Rodets Forschungen widerlegt.

Ihre Auswertung von Dokumenten und Interviews zeigte, dass Frauen sehr wohl Teil großer Fluchtbewegungen waren - und sogar mehr Frauen ihre Eigentümer verließen als Männer. Sie machten sich soziale und familiäre Netzwerke für ihre Flucht zunutze. So gingen manche Sklavinnen zum Beispiel eine Beziehung mit Angehörigen der Kolonialadministration ein, um wirtschaftlich nach ihrer Flucht abgesichert zu sein. Auch verheiratete Frauen flohen und nahmen die Hilfe der Kolonialgerichte in Anspruch. So konnten sie sich von ihren Eigentümern scheiden lassen und das Sorgerecht für ihre Kinder beantragen.

Sklavinnen auf einer Baumwollplantage, South Carolina 1862“

Library of Congress, 1862

Sklavinnen auf einer Baumwollplantage, South Carolina 1862

Versklavte Frauen waren in Westafrika die führenden Arbeitskräfte der Region. Ihre Emanzipation aus der Sklaverei hatte daher einen enormen Einfluss auf die regionale Wirtschaft, auch weil die Fluchtbewegungen in eine Zeit fiel, in der im Land Nahrungsmittelknappheit und Dürre herrschten. In Folge versuchten die Kolonialmächte die Fluchtbewegungen zu stoppen, da sie einen wirtschaftlichen Zusammenbruch fürchteten, verfügten jedoch nicht über die notwendigen Mittel.

„Die innerafrikanische Sklaverei ist immer noch ein Tabuthema in Westafrika“, so Marie Rodet. Umso wichtiger sei die Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit des Landes – auch, um die Geschichten der Sklavinnen und Sklaven nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Caroline Haidacher, Leonie Markovics/Universum History

Quellen:

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