Mehr Geld und weniger Fleckerlteppich

Der Genetiker Josef Penninger zählt zu den bekanntesten Forschern des Landes. Seit dem Vorjahr arbeitet er in Kanada, zum Teil aber immer noch in Österreich. Im Vergleich der beiden Länder rät er Österreich zu mehr Unternehmergeist und weniger Fleckerlteppich.

Seit 1. Dezember des Vorjahrs leitet Penninger das Life Sciences Institute an der Universität Vancouver. Laut Vertrag arbeitet er aber weiterhin ein Fünftel seiner Zeit am Institut für Molekulare Biotechnologie in Wien (IMBA), das er 16 Jahre lang geleitet hat. Penninger ist aktuell auch Mitglied von Think Austria, einer Strategie-Stabstelle im Bundeskanzleramt von Sebastian Kurz (ÖVP).

science.ORF.at: Wie oft pendeln Sie zwischen Vancouver und IMBA?

Josef Penninger: Ich war gerade zwei Monate in Kanada, bin jetzt zwei Wochen hier, dann wieder einen Monat in Kanada usw. In meinem Vertrag steht, dass ich offiziell 20 Prozent in Österreich sein darf. Aber die Wissenschaft ist global, meine kanadischen Studenten kommen hierher, wir wollen gemeinsame Projekte entwickeln. Meine Nachbarn in Vancouver sind Weltklasse in Bioengineering und in Single Cell Sequencing, was hier in Österreich keiner wirklich so gut kann. Da gibt es viele Dinge, die wir gemeinsam viel besser machen können.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 29.3., 7:00 Uhr. Das Interview fand Anfang März in Wien statt.

Wenn Sie Österreich und Kanada vergleichen, welche Hauptunterschiede sehen Sie?

Penninger: In Kanada gibt es eine ganz andere Philosophie. Firmen zu gründen ist dort Teil der job description, in Österreich werde ich dafür manchmal noch schief angeschaut. Dabei ist es doch toll, dass wir unternehmerisch tätig werden wollen, damit aus der Forschung etwas wird, was Leuten auch tatsächlich hilft. Die Systeme sind sehr unterschiedlich, ich habe gerade sehr viele Grants für Kanada angesucht. In Österreich schimpft man über eine Erfolgsrate von 25 Prozent, in Kanada liegt sie bei 13 Prozent. Die meisten Unis in Nordamerika leben von Studiengebühren. Die Studenten zahlen viel Geld, damit sie betreut werden, und das wird für Gehälter etc. verwendet. Jeder Forscher ist sein eigener Unternehmer, jede Forscherin ihre eigene Unternehmerin, die mit externem Geld Forschung finanziert. Deshalb gründen sie ständig Firmen, weil das part of the game ist.

Josef Penninger am IMBA

IMBA

Was würden Sie Österreich da empfehlen?

Penninger: Es ist ganz essenziell, dass wir eine lokale Biotech-Industrie aufbauen. Der Grund ist ganz einfach: Wenn wir Ableger von Firmen haben und die sich reorganisieren, wird hier zugesperrt, nicht das Headquarter in Basel. Dazu muss man fundamentale Dinge tun: Wer etwa in Kanada in Risiko investiert und es funktioniert nicht, kann 50 Prozent von der Steuer abschreiben. In Österreich ist in so einem Fall das ganze Geld weg. Deshalb kaufen sich die Reichen hier alle Zinshäuser. Das kann es doch nicht sein! Wir brauchen ein System, in dem Reiche Innovation fördern, die allen zugutekommt.

Ich nehme an, das ist auch ein Vorschlag, den Sie als Berater des Bundeskanzlers gemacht haben?

Penninger: Ja.

Was tun Sie da genau?

Penninger: Wir treffen uns öfters, sitzen um einen Tisch und tauschen Ideen aus. Ich mache da wahnsinnig gerne mit, weil ich bin von hier, und Österreich ist mir ein Anliegen. Die Frage, die wir uns stellen, ist ganz einfach: Wie definieren wir uns als Land und was machen wir, damit wir dort hinkommen? Was dabei wichtig sein muss, sind eine gute Ausbildung, gute Schulen, gute Unis, gute Arbeitsstellen, damit unsere Kinder eine Chance im Leben haben. In einer globalen Welt ist es aber auch wichtig, das System durchlässig zu halten. In Nordamerika sind die wirtschaftlich erfolgreichsten Regionen die, wo die Einwanderer sind. Das ist natürlich schwer vergleichbar mit den Systemen in Europa. Aber auch für Kanada gibt es Studien, dass Einwanderer überproportional zur Wirtschaft beitragen. In dem Sinne ist es wichtig, dass man Hitech aufbaut und ein System schafft, damit die besten Hitech-Leute aus der Welt hierherkommen wollen. Ich komme immer mehr drauf, dass wir hier zwar über viele Jahre in tollen Institutionen Weltklasseforschung betrieben haben - die Leute in Boston oder Tokyo kennen uns -, aber wir haben es nie geschafft, dass wir aus unserer eigenen Suppe herausgekommen und international sichtbar geworden sind. In Vancouver bekomme ich jeden Tag Bewerbungen von Mitarbeitern, in Wien vielleicht zweimal im Monat. Diese Unterschiede werden mir jetzt erst bewusst. Hier haben wir eine gute Organisation und gutes Geld. In Kanada bin ich Direktor eines Rieseninstituts mit wenig Geld, aber die Reputation ist eine ganz andere. Da müssen wir uns noch anstrengen.

Woher kommt das?

Penninger: Die Frage ist, wie man in einer globalen Welt wahrgenommen wird – wohin gehen Studenten in China oder Japan, warum kommen sie nicht zu uns? Man kann über Rankings etc. aus guten Gründen schimpfen, aber sie sind wichtig. Ich bin an der Qingdao University in China gerade Professor geworden. Die Leute dort sagen mit Stolz: Wir sind im Ranking auf Platz 250 der Welt und in zehn Jahren sind wir unter den Top 50. Ich weiß schon, das ist alles relativ. Nicht relativ ist es aber, Anstrengungen in diese Richtung zu unternehmen. Was wir tun müssen in Österreich, ist zu sagen: „Wir wollen drei Unis oder eine Organisation wie die deutsche Max-Planck-Gesellschaft haben, die in zehn Jahren unter den Top 50 der Welt sind. Deswegen tun wir das und das, um dorthin zu kommen.“

Dazu müsste man das Fördersystem fundamental ändern …

Penninger: Nicht ganz, aber ein paar Dinge durchforsten, ja.

Wie zum Beispiel?

Penninger: Toll wäre etwas wie in Australien, wo gerade ein National Endowment Fonds für Grundlagenforschung aufgesetzt wird: zehn Milliarden US-Dollar, die langfristig Forschung finanziert und zwar über wechselnde Regierungen hinweg. Etwas, was Wolfang Schüssel mit seiner Nationalstiftung gemacht hat, aber auf anderer Ebene, eine Art österreichischer Welcome Trust. Ein Grund, warum England so toll in der Forschung ist, ist das unabhängige Geld des Welcome Trust. Auch gut wäre eine Organisation wie die Max-Planck-Gesellschaft, die wirklich Dinge zusammenbringt.

Zehn Milliarden Dollar sind nicht wenig …

Penninger: Es ist essenziell, mehr Geld in die Wissenschaft bringen. Wenn wir uns 25 Milliarden Euro leisten können, damit wir Tunnel durch Berg graben, damit Leute 15 Minuten früher wo ankommen, dann kann sich Österreich durchaus Innovationsgeld von zehn Milliarden vorstellen, wo wir alle profitieren.

Josef Penninger im Labor

APA (Hochmuth)

Abgesehen vom Geld: Was kritisieren Sie sonst an Österreichs Forschungspolitik?

Penninger: Ein Hauptproblem, jetzt darf ich es ja sagen, weil ich nicht mehr da bin, ist der Fleckerlteppich: Es gibt so viele Institutionen, jeder ist gegen jeden, wenn der mehr kriegt, krieg ich weniger usw. Es wäre an der Zeit, dass sich die Leute zusammentun und gemeinsam in eine Richtung gehen. Wenn man in einem Land mit acht Millionen Leuten, der bestehenden Anzahl an Universitäten und Institutionen dann auch noch mit der Gießkanne drüberfährt, kommt das raus, was wir haben. Wobei ich betone: Die Unis und die Professoren sind toll. Was sie mit den Mitteln, die sie bekommen, in Forschung und Ausbildung leisten, ist sensationell. Aber es gibt auch eine Grenze. Die grundlegende Frage ist: Wo wollen wir hin? Wollen wir ein Land sein, das gute Ausbildung bietet – das tun wir bereits – oder ein Land, das an der internationalen Spitze der Innovation mitspielt? Für mich ist die Richtung klar!

Zum Fleckerlteppich gehört auch die ÖAW?

Penninger: Fleckerlteppich ist Fleckerlteppich, damit sind alle gemeint. Es gibt viele Dinge, die man besser vereinen könnte. Warum funktioniert etwa die Schweiz so gut? Einerseits gibt es dort die Lobbys der großen Firmen wie Novartis, Roche oder Nestle, die im Hintergrund größtes Interesse haben an guten Universitäten. Andererseits gibt es in der Schweiz nur zwei Universitäten, die der Staat fördert, die ETH in Zürich und die EPFL in Lausanne. Die ETH war immer Eliteuni, die EPFL immer okay, aber nicht wirklich gut. In den letzten 15 Jahren hat man aber gesehen, dass man vom Mittelmaß zur absoluten Weltklasse kommen kann. Und dann hat die Schweiz das System, dass die Uni Zürich vom Kanton gezahlt wird, so kann sich der Staat auf zwei große Institutionen konzentrieren, die massiv gefördert werden.

Ihre Empfehlung lautet also: Konzentration?

Penninger: Fokussierung! Es ist nicht realistisch, dass ein Land wie Österreich auf jedem Gebiet Weltklasse ist.

Interview: Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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