„DNA-Müll“ formte Sexchromosomen

Sex bedeutet aus evolutionärer Perspektive ausschließlich: Austausch von Erbinformation. Das gilt für alle Erbgutträger, bis auf die Geschlechtschromosomen. Sie entwickeln sich unabhängig und mit Hilfe von „DNA-Müll“, wie Wiener Forscher nun herausfanden.

Sie entschlüsselten die Geschlechtschromosomen der Weibchen von elf verschiedenen Singvogelarten - darunter Hausspatzen und Kanarienvögeln – und berichten darüber in einer Studie, die soeben in der Fachzeitschrift “Nature Ecology & Evolution“ erschienen ist.

Bei Vögeln anders als bei Menschen

Bei Menschen haben Frauen zwei mit Genen gespickte X-Chromosomen und Männer ein X-Chromosom sowie ein viel kleineres Y-Chromosom mit kaum wichtiger Information. Bei Vögeln funktioniert die Geschlechtsbestimmung umgekehrt: Die Männchen besitzen zwei vollwertigen Z-Chromosomen, die Weibchen haben nur ein solches und ein kleines, Gen-armes W-Chromosom.

Auf dem W-Chromosom sind nur mehr wenige Gene, die funktionieren, berichten die Forscher. Dabei dürfte es sich um sehr wichtige Gene handeln, die unter keinen Umständen verloren gehen dürfen.

Weil es vom W-Chromosom immer nur eine Kopie bei den Weibchen gibt, können Fehler (Mutationen) dort nicht durchs Austauschen (Rekombinieren) von einem intakten gleichen Chromosom behoben werden. Bei den Männchen kann hingegen eine Mutation durch Rekombination mit dem zweiten Z-Chromosom ausgemerzt werden.

Die Rolle der Junk-DNA

W- und Z-Chromosomen dürfen sich nicht austauschen, sonst könnte ein geschlechtsbestimmendes Gen auf einmal auf dem falschen Chromosom landen und das ganze System durcheinanderbringen. „Eine solche Unterdrückung der Rekombination hat zu vier Zeitpunkten bei den Singvogel-Sex-Chromosomen stattgefunden“, schreiben die Forscher um Qi Zhou vom Department für molekulare Evolution und Entwicklung der Universität Wien in einer Aussendung.

Für den Verlust der Austauschfähigkeit sei wohl die Ansammlung von nicht-funktionellen DNA Sequenzen, also so genannter Junk-DNA, verantwortlich. Die „Ramsch-DNA“ ermöglichte dadurch, dass die männlichen und weiblichen Chromosomen bei den Vögeln geschieden wurden und fortan getrennte Wege in der Evolution gingen.

science.ORF.at/APA

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