Wie Twitter beim Aufspüren von Erdbeben hilft

Wenn die Erde bebt, greifen viele Menschen zum Handy - und schreiben darüber in den sozialen Medien. Nun weisen Wissenschaftler nach: In diesen Daten stecken wertvolle Hinweise für die Katastrophenhilfe.

Wie das Fachmagazin „Science Advances“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, lassen sich Beben unter Zuhilfenahme von Twitter-Botschaften rund eine Minute schneller lokalisieren als bisher. In Zukunft könnte man auch die Stärke von Beben mittels Crowdsourcing genauer bestimmen. Wie das geht, hat das European Mediterranean Seismological Centre (EMSC) in einem Video dargestellt.

Üblicherweise werden Erdbeben von seismischen Stationen erfasst. Das deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam betreibt etwa einen Monitoring-Dienst, der auf Daten von hundert eigenen seismischen Stationen des Netzwerks Geofon sowie 800 weiteren Stationen beruht.

Für die zuverlässige Lokalisierung eines Bebens sei so eine breite Datenbasis notwendig, sagt Joachim Saul vom GFZ, einer der Studienautoren. Denn: „Man muss ausschließen, dass es sich bei einem Signal nicht nur um eine lokale Erschütterung gehandelt hat.“ Normalerweise dauert es drei bis acht Minuten, bis aus den gelieferten Daten errechnet ist, wo ein Erdbeben in welcher Stärke stattgefunden hat.

Twitter-Analyse in 59 Sprachen

Sind sich die Fachleute sicher, dass es ein Erbeben gegeben hat, veröffentlichen sie ihre Informationen und leiten sie auch an das EMSC weiter. Dieses verbreitet die Informationen dann online, also per Webseite, App und Twitter - kürzlich etwa Hinweise auf ein Beben in der Nähe von Anaheim in Kalifornien.

Die Forscher unter Leitung von Robert Steed vom EMSC wollten nun prüfen, ob sich die Lokalisierung eines Bebens beschleunigen lässt, wenn man Daten aus dem Internet heranzieht. Dafür nutzten sie zum einen die Zugriffsdaten auf die EMSC-Webseite und dessen Erdbeben-App. Zum anderen durchforsteten sie den Kurznachrichtendienst Twitter nach Tweets, die den Begriff „Erdbeben“ - in 59 Sprachen - enthielten. Denn nach einem Beben greifen viele Menschen heute zum Handy, um in den sozialen Medien von ihren Erfahrungen zu berichten.

Zeitgewinn: Eine Minute

Insgesamt analysierten die Forscher Daten zu mehr als 1.500 Erdbeben aus dem Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 31. Dezember 2017. Die Auswertung ergab, dass sie bei der Lokalisierung mit Hilfe der Internetdaten durchschnittlich mehr als eine Minute schneller waren, als wenn sie nur die Daten der seismischen Stationen genutzt hätten.

„Die Ergebnisse sind spannend und auch für Geofon relevant, da sie die Reaktion von Menschen, die ein Erdbeben selbst verspürt haben, unmittelbar mit einbezieht“, sagt Joachim Saul vom GFZ. „Wir stehen aber erst am Anfang einer Entwicklung. Besonders die genaue Bestimmung der Erdbebenstärke bleibt eine Herausforderung.“

science.ORF.at/dpa

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