Hunderttausende Virusarten im Meer entdeckt

In jedem Tropfen Meerwasser befinden sich Millionen Viren. Die allermeisten davon sind völlig unbekannt. Nun können Forscher erstmals erahnen, wie viele es tatsächlich gibt.

200.000 neue Virenpopulationen – also fast hundertmal mehr, als bisher bekannt waren: Das ist die Bilanz einer virologischen Volkszählung, von der Wissenschaftler diese Woche im Fachblatt „Cell" berichten. Gefunden wurden die Viren bzw. ihre Gene an 80 Probenstellen zwischen Tropen und Arktis, in der Tiefsee ebenso wie an der Meeresoberfläche.

Für den Menschen sind sie in der Regel ungefährlich. Doch da die Viren Meereslebewesen wie Wale, Krebse und vor allem Bakterien (Einzeller stellen etwa 60 Prozent der Biomasse in den Ozeanen) infizieren können, ist ihre ökologische Rolle nicht zu unterschätzen.

Klimaschutz mit Viren?

Das Gleiche gilt für ihren Einfluss auf das Klima: Die Ozeane absorbieren rund die Hälfte des vom Menschen ausgestoßenen Kohlendioxids, frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass Viren dazu beitragen, CO2 in tiefere Wasserschichten zu verfrachten und damit dauerhaft der Atmosphäre zu entziehen.

Forschungsschiff in der Arktis

Alfred-Wegener-Institut/Ruediger Stein

In arktischen Gewässern ist die Vielfalt besonders hoch

Dieser Befund weckt die Hoffnung, dass man auf diese Weise auch den Klimawandel bekämpfen könnte. Eingriffe in den natürlichen Stoffhaushalt der Natur sind zwar immer mit gewissen Risiken behaftet, sagt Studienautor Matthew Sullivan von der Ohio State University, „aber wir müssen zumindest darüber nachdenken, wie wir die kommenden Klimaprobleme meistern könnten“.

Für Erstaunen sorgte bei den Studienautoren jedenfalls die Einsicht, dass die arktischen Gewässer besonders viele verschiedene Viren beherbergen. Am Hotspot der mikroskopischen Artenvielfalt ist es also ausgesprochen kalt - nachdem die 80 Probenstellen nur ein lückenhaftes Abbild der Ozeane darstellen, ist wohl mit weiteren Überraschungen zu rechnen, genetisch wie geografisch: Der westliche Indische Ozean und der östliche Pazifik sind nach wie vor unerforscht.

Robert Czepel, science.ORF.at

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