Europas Medizinunis wenig transparent

Je transparenter Daten zu klinischen Studien mit Arzneimitteln veröffentlicht werden, desto besser. Laut einem neuen Bericht hakt es bei europäischen Medizinunis dabei aber gewaltig – auch in Österreich.

Gute Medizinstudien werden nicht nur in einer Fachzeitschrift veröffentlicht, Kerndaten dazu müssen auch in eigenen – öffentlich zugänglichen – Registern hochgeladen werden. In der EU nennt sich das: „Clinical Trials Register“. Die Organisation Transparimed weist nun darauf hin, dass bei 83 Prozent der von ihnen untersuchten Studien keine Endergebnisse in dem Register publiziert worden seien.

Transparenz-Europameister Großbritannien

Die Transparenzorganisation untersuchte, wie sich jene 30 europäischen Universitäten verhalten, die die meisten klinischen Studien veröffentlichen; darunter auch die Medizinunis in Wien und Graz. Insgesamt 940 Studien flossen in die Untersuchung ein, nur 17 Prozent machten ihre Endergebnisse in dem Online-Register öffentlich zugänglich. „Die übrigen 778 Studien stellten eine Verletzung der EU-Transparenzrichtlinie dar", so Transparimed. Die meisten der Studien mit fehlenden Daten stammten von Unis in Dänemark (246), Österreich (225) und Deutschland (117).

Die Medizinunis in Wien und Graz berichteten in der Datenbank nur die Ergebnisse von knapp acht Prozent der Untersuchungen (siehe Beispiel Meduni Wien). Unis in Belgien lagen bei etwa vier Prozent, jene in Dänemark bei zehn Prozent. Berühmte Institutionen wie das Karolinska-Institut in Stockholm oder die Universität Heidelberg ignorierten die Meldepflicht völlig – so wie auch die Unis ganzer Länder wie Italien und Frankreich.

Mit Abstand am vorbildlichsten verhalten sich die Hochschulen in Großbritannien. Die University of Oxford und das King’s College London etwa veröffentlichten über 90 Prozent ihrer medizinischen Studienresultate rechtskonform in dem Online-Register. Der Grund laut Transparimed: Im Gegensatz zu den anderen Ländern würden in Großbritannien Politik und Förderorganisationen Druck machen, die EU-Regeln zu beachten – in „Brexit“-Zeiten fast schon wieder eine Pointe.

Problem: Selektives Veröffentlichen

"Die Verpflichtung zum Hochladen von Studiendaten geht auf das Problem des selektiven Publizierens zurück“, sagte dazu Martin Brunner, der Vorsitzende der Ethikkommission an der Meduni Wien. Studien, die einen positiven Zusammenhang zwischen einem Arzneimittel und einer Wirkung beweisen, werden eher veröffentlicht, als solche, die keine Zusammenhänge feststellen. Dies ist für die Forschung und letztlich auch für die Patienten schlecht, denn auch Nicht-Zusammenhänge sind Erkenntnisfortschritte.

Um der Tendenz des selektiven Veröffentlichens zu begegnen und für mehr Transparenz zu sorgen, haben die US-Arzneimittebehörde FDA und die europäische EMA Online-Register erstellt und verlangt, dass bestimmte Daten zu allen Studien veröffentlicht werden müssen. Dazu zählen Struktur, Beginn und Ende sowie Zusammenfassung der Ergebnisse.

Seit 2014 verpflichtend, „noch viele Altlasten“

„Das war ab 2014 verlangt. Die Datenbank ist allerdings nicht unbedingt leicht bedienbar. Es gab eine gewisse Anlaufzeit mit technischen Problemen und viele Altlasten. Das erklärt teilweise, warum nur ein geringer Prozentsatz von Studien bisher in der Datenbank mit kompletten Informationen aufscheint“, sagte Brunner.

Die Ethikkommission der Meduni Wien weist bei Beendigung einer klinischen Prüfung mit Arzneimitteln auf diese Verpflichtung hin. „Es gibt auch Hilfestellungen, z.B. durch das Koordinationszentrum für Klinische Studien.“ Gerade im universitären Bereich stellt diese administrative Anforderung neben der klinischen Arbeit, Lehre und Forschung eine zusätzliche Herausforderung dar. Auch wenn hinsichtlich der Berichte noch Verbesserungsbedarf besteht, habe man einiges schon erreicht.

science.ORF.at/APA

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