Roboter sitzt für krankes Kind in der Schule

Roboter machen vielen Angst. Dass sie das Leben auch zum Positiven verändern können, zeigt ein Projekt in einer Wiener Volksschule: Dort hilft ein Roboter einem Kind, trotz Krankheit den Anschluss an die Klasse nicht zu verlieren.

„Hallo, Dominik, hallo!“ Kinderstimmen dringen aus dem Tablet, das Dominik in der Hand hält. Der an Krebs erkrankte Bub besucht die dritte Klasse der öffentlichen Volksschule Neilreichgasse im zehnten Bezirk in Wien, dem Unterricht folgt er normalerweise von zuhause. Am Tablet installiert ist ein Programm, mit dem er einen knapp 30 Zentimeter großen Roboter steuern kann. „Jetzt kann ich mich nach links und rechts bewegen und schauen, was sie machen.“ Der Roboter mit Namen AV1 bewegt seinen Kopf, entsprechend sieht Dominik andere Ausschnitte der Klasse oder des Blatts, das vor dem Gerät auf dem Tisch liegt.

Sehen, sprechen, aufzeigen

Durch den Roboter kann Dominik nicht nur sehen, was die Klasse gerade macht. Er kann auch aufzeigen, der Roboter blinkt dann. Und er kann zuhören und mit der Klasse sprechen, erzählt Klassenlehrerin Sylvia Wulz: „Das funktioniert ziemlich gut. Sobald Dominik einen Satz vorlesen oder sich irgendwie anders einbringen möchte, zeigt er auf. Die Kinder bemerken das sofort, sollte ich es einmal übersehen, machen sie mich darauf aufmerksam. Ich kann dann reagieren und Dominik aufrufen.“

Der Roboter AV1 mit den Lehrerinnen Sylvia Wulz und Fee Schneider

Elke Ziegler, science.ORF.at

Durch den kleinen Roboter kann Dominik dem Unterricht von Sylvia Wulz (li) folgen. Gemeinsam mit Hauslehrerin Fee Schneider (re) schaut er immer wieder zu und bringt sich ein.

Der kleine Roboter ist eine Entwicklung des Unternehmens „No Isolation“. Das norwegische Start-up sieht Digitalisierung als Chance für Menschen, die weniger mobil sind - wie Dominik und geschätzt 190.000 chronisch kranke Kinder in Österreich. Sie verbringen viel Zeit zuhause, bei Untersuchungen und Behandlungen, verpassen dadurch nicht nur Unterricht, sondern verlieren auch den Kontakt zur Klasse - so wie Dominik, der jetzt mehr als ein Jahr zuhause war.

Dort wird er von Fee Schneider unterrichtet, einer öffentlich finanzierten Hauslehrerin. Haben sie zuvor nur im Tandem gearbeitet, werden sie nun seit Kurzem vom kleinen Roboter unterstützt, sagt Schneider: „Wir schauen dann in die Klasse hinein, die Kinder reagieren sofort und begrüßen Dominik. Er kann dann mit den Kindern oder der Lehrerin reden und erzählen, wie es ihm geht. Die Lehrerin erklärt den Tagesplan.“ Immer wieder gibt sie Tipps, zum Beispiel wann ein Experiment in Sachunterricht geplant ist und Dominik zuschauen könnte.

Roboter soll mit zum Ausflug

Ö1 Sendungshinweis:

Über den Robotereinsatz in der Schule berichtet auch das „Mittagsjournal“ am 13.5.2019.

Für die Kinder sind Roboter und Mitschüler nahezu eins, sie entsprechen einander. Kürzlich wollten sie den Roboter zu einem Ausflug mitnehmen, damit auch Dominik dabei ist, erzählt Fee Schneider. Soziale Kontakte halten und beim Lernen helfen – dabei soll der Roboter chronisch kranke Kinder und Jugendliche unterstützen. Dass ein Exemplar nun in einer Klasse im zehnten Bezirk steht, ist durch eine Förderung der EU möglich, um die sich Monika Fuchs-Brantl bemüht hat. Sie hat den Roboter AV1 beim Besuch eines Zentrums für körperbehinderte Kinder in den Niederlanden kennengelernt, dort wird er schon länger eingesetzt.

Wie es nach der dreimonatigen Testphase in Wien weitergeht, ist unklar, sagt die mobile Lehrerin für Kinder mit körperlichen Behinderungen und chronischen Krankheiten: „Wir wissen nicht, wie man derzeit dieses Gerät für den Schulbetrieb finanzieren könnte, das ist noch total offen.“ 3.000 Euro kostet der Roboter in der Anschaffung, 80 Euro monatlich betragen Wartung und Versicherung, so die Pädagogin.

Wenn man Dominik fragt, wie er die Unterstützung durch den Roboter findet, streckt er den Daumen hoch und sagt: „Nice“. Dann muss er aber zurück zum Unterricht, er sieht die Klasse schon auf seinem Tablet, und seine Lehrerin ruft: „Dominik, wir hören dich schon.“

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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