Tomaten: Der Geschmack kehrt zurück

Mittlerweile kann man sogar im Supermarkt wieder Paradeiser kaufen, die nicht nur fad und wässrig sind. Das bestätigt auch eine Analyse von 725 modernen und wilden Sorten. Eine Genvariante, die fast verschwunden war, ist heute wieder öfter nachweisbar.

182 Millionen Tonnen Tomaten werden jährlich weltweit produziert, das entspricht einem Marktwert von über 50 Milliarden Euro. Paradeiser - wie die Früchte im Osten des Landes oft genannt werden - sind auch das Lieblingsgemüse der Österreicherinnen und Österreicher, das zu den Nachtschattengewächsen zählt. Rund 29 Kilogramm isst jede bzw. jeder pro Jahr. Dennoch wird immer wieder über den faden und wässrigen Geschmack geklagt, vor allem bei billig produzierter Massenware aus dem Supermarkt: Die rote Frucht sei längst nicht mehr so fruchtig und aromatisch wie früher.

Tatsächlich ist bei der Züchtung das Aroma verloren gegangen bzw. immer schwächer geworden. Jahrzehntelang standen vor allem die Erträge, die Haltbarkeit und die Widerstandskraft im Mittelpunkt. Erst in der jüngsten Vergangenheit versucht man, wieder mehr Geschmack in die beliebte Frucht zu züchten, unter anderem, indem man wilde und alte Sorten einkreuzt.

Genetische Basis

Noch gezielter funktioniert das, seitdem 2012 das Tomaten-Genom entziffert wurde. Genaugenommen hat man ein sogenanntes Referenzgenom erstellt, von der modernen Zuchtform Heinz 1706 bzw. Solanum lycopersicum, unter anderem, um es mit der aus Südamerika stammenden Wildform Solanum pimpinellifolium zu vergleichen.

Solanum pimpinellifolium

Mario Palaschke/ORF

Solanum pimpinellifolium in Nahaufnahme

Auf der Suche nach den verlorenen Genen wurden in den vergangenen Jahren weitere Unterarten analysiert. In der soeben in „Nature Genetics“ erschienenen Studie haben die Forscher um James Giovannoni und Zhangjun Fei von der Cornell University insgesamt 725 kultivierte und wilde Sorten berücksichtigt. Dabei haben sie 4.873 neue Gene entdeckt, die im Referenzgenom nicht vorkamen.

Aroma aus Fett und Farbe

Ein großer Teil der Gene, die in modernen Tomaten fehlen, hilft bei der Abwehr von Krankheitserregern. „Daraus könnten Züchter Sorten züchten, die weniger krankheitsanfällig sind und daher auch weniger Pestizide brauchen“, erklärt Giovannoni in einer Aussendung.

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Außerdem entdeckten die Forscher eine seltene Genvariante, die den meisten modernen Sorten fehlt bzw. rausgezüchtet wurde, aber gleich mehrfach zum Aroma der Früchte beiträgt. Sie hilft der Pflanze, flüchtige Aromastoffe aus Fetten zu erzeugen, und auch aus den für die Farbe der Tomate verantwortlichen Carotinoiden bildet sie fruchtige sowie blumige Geschmackstoffe.

Die Genvariante findet sich in mehr als 90 Prozent der wilden Sorten, aber nur in rund zwei Prozent der klassischen Zuchtformen. Erst in der jüngsten Generation der Zuchttomaten sind es wieder sieben Prozent. Das ist laut den Forschern eine gute Nachricht, denn es bedeutet: Der Geschmack kehrt langsam zurück. Es zeige, dass sich die Züchter wieder mehr für das Aroma der Früchte interessieren. Mit den neuen genetischen Informationen werde das in Zukunft noch leichter und schneller gelingen.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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