Zwischen Leuchtturm und grüner Wiese

Vor zehn Jahren wurde das Institute for Science and Technology Austria gegründet - ausgerechnet in den Räumen der Nervenheilklinik Maria Gugging, so gar nicht passend für eine „Elite-Uni“, so die damaligen Kritiker. Seit damals hat sich das Institut gemausert.

Das IST Austria ist dieser Tage teilweise eine Baustelle. Präsident Thomas Henzinger zeigt auf einen Kran und einige Stahlstreben: „Hier entsteht unser nächstes wissenschaftliches Gebäude. Im rechten Flügel werden die Chemie-Labors sein, im linken Flügel entsteht das Zuhause unseres Doktoratskollegs, integriert mit einer Bibliothek.“ Durch das neue Gebäude – es soll 2021 bezugsfertig sein – bekommt das Institut nicht nur mehr Platz, es erweitert sich auch inhaltlich. Das IST Austria deckt die Naturwissenschaften mit den Fächern Biologie, Physik, Mathematik und Informatik ab. „Mit unserem nächsten Gebäude wird noch die Chemie dazu kommen. Damit haben wir alle wichtigen Teilgebiete der Naturwissenschaften hier an einem Campus“, so Henzinger. Die Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften bleiben weiterhin ausgeklammert: „Es wäre vermessen, wenn wir auch noch diese Bereiche abdecken wollten. “

International geförderte Grundlagenforschung

Wie bauen Stammzellen das Gehirn, wie trennt sich das Eiweiß vom Dotter, wie heilen Pflanzenzellen ihre Nachbarn? Das sind nur einige Fragen, mit denen man sich am IST beschäftigt – bzw. mit den Grundlagen davon. Ein Leuchtturm der Wissenschaft sollte das Institut werden, so das Vorhaben bei der Gründung vor zehn Jahren. Dafür sollten die besten Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt angeworben werden – ist dieser Plan aufgegangen? „Unsere 50 Professoren wurden aus mehr als 11.000 Bewerbern ausgewählt. Ich denke, allein das zeigt, dass das Modell funktioniert“, sagt Thomas Henzinger. Beim Fachmagazin „Nature“ liegt das IST Austria in einer 2018 publizierten Liste aufstrebender, nach 1988 gegründeter Forschungseinrichtungen auf Platz 8.

Thomas Henzinger, Präsident des Institute for Science and Technology (IST) Austria

Elke Ziegler, science.ORF.at

Thomas Henzinger, Präsident des Institute for Science and Technology (IST) Austria.

Außerdem holt das Institut besonders viel Geld des renommierten Europäischen Forschungsrats ERC nach Österreich. Rund 50 Prozent aller Anträge des IST werden genehmigt, der europäische Durchschnitt liegt bei zwölf Prozent, auch Einrichtungen wie die ETH Zürich oder die Universitäten in Oxford und Cambridge liegen schlechter als das niederösterreichische Institut. Das bestätigt auch Jürgen Janger, der stellvertretende Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo hat kürzlich eine Studie zur Förderung exzellenter Wissenschaft veröffentlicht: „Relativ zur Zahl der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erhält das IST ein Vielfaches an ERC-Förderungen im Vergleich zu den Universitäten.“

Andere Voraussetzungen als die Unis

Aber: Das IST hat andere Voraussetzungen als die Unis. Von Beginn an war es langfristig und großzügig finanziert durch Bund und Land Niederösterreich, zuletzt wurden 1,4 Milliarden Euro für die Jahre 2017-2026 zugesagt – ein Drittel davon ist an die Akquisition von Drittmitteln von EU, Unternehmen, Stiftungen und österreichischen Fördereinrichtungen wie dem FWF gekoppelt. Entsprechend hoch ist der Druck auf alle wissenschaftlichen Angestellten, solche Drittmittel einzuwerben.

Am Campus des IST Austria gibt es Kunst und viel Natur.

Elke Ziegler, science.ORF.at

Am Campus des IST Austria gibt es Kunst und viel Natur.

Auch bei den rechtlichen Voraussetzungen arbeitet das IST teilweise unter anderen Bedingungen. Jürgen Janger: „Am IST werden die Forschenden nach dem US-amerikanischen Tenure-Track-Modell angestellt. Sie arbeiten zuerst befristet, aber wenn sie sich bewähren und gut evaluiert werden, dann haben sie die Perspektive auf eine unbefristete Anstellung.“ An vielen Unis hingegen stolpert der wissenschaftliche Nachwuchs vielerorts von einem befristeten Vertrag in den nächsten, das Tenure-Track-Modell ist noch nicht überall Standard. Und auch die Art der Zusammenarbeit ist anders: „Es gibt an manchen Universitäten noch immer das Lehrstuhlprinzip, das relativ hierarchisch ist. Am IST haben sie flache Strukturen, das heißt: Auch ein junger Professor, der ans IST kommt, ist bereits sehr unabhängig in dem, was er macht.“ All diese Faktoren wirken über die Grenzen Österreichs hinaus anziehend.

Und noch etwas unterscheidet das Institut von den Universitäten: Am IST wird deutlich weniger unterrichtet, es gibt keine Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs vor dem Doktorat. Das bedeutet mehr Zeit und Geld für die Forschung.

Klosterneuburg statt Maria Gugging

Vor zehn Jahren gab es ein heftiges Tauziehen zur Frage, wo die damals noch gern als „Elite-Universität“ bezeichnete Einrichtung angesiedelt werden soll. Das ÖVP-geführte Wissenschaftsministerium hat damals mit dem ÖVP-geführten Niederösterreich – mit dem Sanktus von SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann – die Entscheidung für Maria Gugging und das Areal der Landesnervenklinik getroffen. Weil dieser Standort abseits des Uni-Zentrums Wien und mit einer wissenschaftsfernen Geschichte für viel Kritik und Häme gesorgt hat, spricht man seit der Gründung des Instituts nur mehr vom IST Austria nahe Klosterneuburg.

Ö1 Sendungshinweis:

Über „Zehn Jahre IST Austria“ berichtet auch das Mittagsjournal am 1.6.2019.

Und wie sieht man den Standort heute? „Diese Frage bekomme ich nur von Wienern gestellt“, so Thomas Henzinger. Gute Forscher würden sich immer mit guten Forschern vernetzen - egal, ob sie in Maria Gugging, Wien, Oxford oder New York sind. Sowohl Henzinger als auch Janger räumen aber ein: Bei der teilweise sehr teuren Infrastruktur, Mikroskopen zum Beispiel, habe man das „Henne-Ei-Problem“: „Man muss teure Geräte ankaufen, bevor man überhaupt weiß, ob man die Forscher bekommt, die dann damit arbeiten“, so der WIFO-Forscher Jürgen Janger.

Fertig ist das IST Austria noch länger nicht, die nächste Baustelle: Die Zahl der Professorinnen und Professoren soll sich bis 2026 nahezu verdoppeln. Ein Leuchtturm der Forschung sollte das IST sein, so der Anspruch vor zehn Jahren. Fragt man Jürgen Janger, ob das gelungen ist, sagt er: „Zum Teil. Der wissenschaftliche Erfolg ist auf jeden Fall da, die Leuchtturmwirkung kommt aber erst mit einer gewissen Größe und Ausstrahlungskraft.“ Wenn das IST wie geplant weiter wachsen kann, ist es aber auf einem guten Weg, so der Experte.

Elke Ziegler Ö1-Wissenschaft

Berichte über Forschung am IST Austria: