Verhütung lieber ohne Hormone?

Die Antibabypille ist in Österreich das beliebteste Verhütungsmittel, doch sie steht zunehmend in der Kritik. Risiken und Nebenwirkungen wie Thrombosen, Brustkrebs und Libidoverlust seien lange verharmlost worden. Mehr und mehr Frauen entscheiden sich daher gegen die Pille.

Im aktuellen österreichischen Verhütungsreport ist sie noch immer die klare Nummer eins. Doch während vor zehn Jahren noch knapp die Hälfte der Frauen im gebärfähigen Alter mit der Pille verhütet haben, sind es heute laut Report nur mehr 34 Prozent. Ähnliches lässt sich auch in den Nachbarländern feststellen.Youtuberinnen berichten von den Nebenwirkungen und ihrem Abschied von der Pille, und auch in den klassischen Medien taucht die Pillenkritik immer häufiger auf. Die Kritik richtet sich vor allem an Pharmafirmen, die die Pille als harmloses Beautymittelchen schon an sehr junge Frauen vermarkten, so kann die Hormoneinnahme etwa bei Hautproblemen helfen, auch viele Frauenärzte würden die Pille vorschnell verschreiben.

Geschichte

Seit 1962 ist die Antibabypille in Österreich erhältlich. Vermarktet wurde sie anfangs als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden. Nur im Kleingedruckten stand, dass die Pille auch vor ungewollter Schwangerschaft schützt. Trotzdem wurde die Pille innerhalb weniger Jahre zum Symbol sexueller Befreiung und zum beliebtesten Verhütungsmittel. Doch die Beliebtheitswerte sinken. Immer mehr Frauen entscheiden sich gegen hormonelle Verhütung.

Depressionen als mögliche Nebenwirkungen

Was viele Frauen abschreckt, sind die möglichen, teils starken Nebenwirkungen der Pille. Weit oben auf der Liste stehen ein erhöhtes Risiko für Thrombosen, Embolien sowie Brustkrebs. Viele Frauen klagen über den Verlust der Libido und sogar depressive Verstimmungen. Seit Anfang 2019 müssen neben den bereits genannten Nebenwirkungen auch Depressionen als mögliche Nebenwirkungen im Beipackzettel vermerkt sein. Auslöser war eine dänische Studie, die einen Zusammenhang zwischen hormoneller Verhütung und einem erhöhten Suizidrisiko feststellte. All das sind keine Lappalien, aber ist die Pille tatsächlich so schlecht wie ihr derzeitiger Ruf? Wie groß sind die Risiken wirklich?

Johannes Ott, stellvertretender Leiter der Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Medizinischen Universität Wien, beantwortet diese Frage äußerst vorsichtig. Die Risiken seien in der aktuellen Debatte etwas übertrieben dargestellt. Gleichzeitig sei es wichtig, Patientinnen aufzuklären, dass mit der Einnahme auch seltene Risiken einhergehen. Eine Neuverschreibung der Pille sei immer ein Ausprobieren. „Es kann sein, dass wir mehrmals umstellen müssen, bis wir das Richtige finden. Es gibt ganz wenige Frauen, die wirklich fast gar keine Pillen vertragen, sei es durch die Stimmung, durch Wassereinlagerungen, Durchblutungsprobleme oder ähnliches.“

Vielzahl an Präparaten am Markt

Es gibt heute Dutzende verschiedene Präparate mit unterschiedlichen Wirkstoffen am Markt. Die meisten Pillen enthalten sowohl ein künstliches Östrogen als auch ein künstliches Gelbkörperhormon. Dabei gibt es viele verschiedene chemische Stoffe, die die beiden Hormone im Körper imitieren. Auch die jeweilige Dosis variiert, bei der Minipille fehlt etwa das Östrogen komplett. Neben der Pille gibt es außerdem den Vaginalring, das Hormonstäbchen, die Hormonspirale und die Dreimonatsspritze.

Ö1-Sendungshinweis:

Um Hormonskepsis im zusammenhang mit der Antibaybpille geht es auch im ersten Teil der Wochenserie „5 x Sex“: Tanz der Hormone der Dimensionen am 20.5.2019.

Jede Frau reagiert anders auf ein Präparat, und das macht das Ganze so kompliziert, sagt Johannes Ott: „Manche Frauen reagieren auf die Pille mit Depressionen. Vielen kann durch die Umstellung auf eine andere Pille geholfen werden. Frauen mit einem prämenstruellen Syndrom und einer depressiven Verstimmung können von der Einnahme der passenden Pille profitieren.“

Verpflichtende Kontrolle sinnvoll

Bei Johannes Ott am der Meduni landen keine 0815-Patientinnen, die ein Rezept für die Pille möchten. Er hat mit Spezialfällen zu tun, die aufgrund von Vorerkrankungen bei der Pilleneinstellung besonders aufpassen müssen oder bisher mit keiner hormonellen Verhütung zurechtgekommen sind. Viele Frauenärzte würden ihre Patientinnen zwar sorgfältig beraten und untersuchen, bevor sie die Pille verschreiben, aber nicht alle. Und die Antibaby-Pille einfach so zu verabreichen, sei fahrlässig. Sinnvoll wäre für Ott, in Österreich eine Nachuntersuchung einzuführen, wie in vielen skandinavischen Ländern, wo die Patientin mehrere Wochen nach der Verschreibung gezielt nach Nebenwirkungen befragt und gegebenfalls auf ein anderes Präparat umgestellt wird.

Jede Frau müsse Nutzen und Risiken für sich persönlich abwägen, sagt Johannes Ott. Trotzdem bleibt für ihn die Pille das sicherste Verhütungsmittel, das er auch seiner fünfjährigen Tochter empfehlen wird, wenn sie ihn später mal nach Rat fragen sollte. „Ich hab kein Problem einer normal entwickelten Teenagerin die Pille zu geben, auch wenn es meine Tochter ist, vor allem weil ich nicht möchte, dass ich bald Opa werde.“

Anna Masoner, Ö1-Wissenschaft

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