Wo der Apfel herkommt

Noch heute wachsen in Kasachstan wilde Äpfel. Von dort trat die Frucht ihren Siegeszug um die Welt an, wie eine Studie nun nachzeichnet. Tiere mit Vorliebe für Süßes halfen bei der Verbreitung mehr als der Mensch.

Äpfel sind das Obst schlechthin. Heute wachsen mehr als tausend Sorten in allen gemäßigten Klimazonen der Erde. Millionen Tonnen werden jährlich produziert, verarbeitet und gegessen. Von der Bedeutung für den Menschen zeugen Werke klassischer Dichter und Maler, zumindest in den vergangenen drei bis vier Jahrtausenden. Wann genau und wie aus der wilden Frucht eine Kulturpflanze wurde, ist bis heute nicht restlos geklärt. Für eine aktuelle Publikation hat Robert Spengler vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte anhand von genetischen, archäologische und botanischen Daten die Entwicklungsgeschichte rekonstruiert: Im Gegensatz zu anderen Nutzpflanzen wie etwa Weizen passierten viele wichtige Schritte schon in der Wildnis.

Asiatische Wildäpfel im Tien Shan-Gebirge in Kasachstan

Martin R. Stuchtey

Asiatische Wildäpfel im Tien Shan-Gebirge in Kasachstan

Apfelbäume zählen zu den Rosengewächsen. Viele Pflanzen aus dieser Familie tragen nur kleine Früchte, z.B. Kirschen oder Himbeeren. Diese werden vor allem von Vögeln gefressen, welche die Samen verbreiten. An manchen Bäumen wachsen aber auch größere Früchte, z.B. Quitten, Birnen oder eben Äpfel. Wie Spengler schreibt, ist die relative Größe eine beeindruckende Anpassung im Dienst der Verbreitung der Samen. Vor dem Ende der letzten Eiszeit, lebten sehr viel mehr größere pflanzenfressende Tiere. Damals hätten sich bei den wilden Apfelbäumen größere auffälligere Früchte entwickelt. Sie kosten die Pflanzen zwar mehr Energie, aber so wurden auch größere Tiere angelockt und die Samen weit verbreitet. Bei manchen sind die süß-säuerlichen Früchte noch heute sehr beliebt, z.B. bei Pferden.

Gezielte Zucht

Manche Forscher und Forscherinnen vermuten, dass der Mensch irgendwann vor 10.000 bis 4.000 Jahren begonnen hat, die auffälligen Früchte gezielt zu kultivieren. Belege dafür gibt es allerdings nicht. Vermutlich wurden lange Zeit nur wilde Äpfel gesammelt. Zumindest könnte die durch den Menschen veränderte Landschaft die Verbreitung der Äpfel begünstigt haben, denn die ursprünglich recht kleinen Bäume wachsen lieber auf Lichtungen als im tiefen Wald.

Pferd in Kasachstan, die asiatische Wildäpfel essen

Artur Stroscherer

Pferde in Kasachstan, die asiatische Wildäpfel essen

Mit Absicht angepflanzt hat man sie ziemlich sicher erst vor 3.000 Jahren, so Spengler. Generell wurden Bäume erst sehr spät zu Kulturpflanzen. Angesichts dessen ist es erstaunlich, wie schnell sich der Apfel in menschlichen Händen entwickelt bzw. in viele Sorten ausdifferenziert hat.

Vermischung in der Wildnis

In Wahrheit hat der Mensch dabei vermutlich nur eine indirekte Rolle gespielt, wie Spengler ausführt. Der wichtigste Vorläufer unserer modernen Äpfel stammt aus dem Tian Shan in Kasachstan, erste archäobotanische Funde sind etwa 3.000 Jahre alt. Noch heute wächst dort der asiatische Wildapfel. Der moderne Apfel ist ein Hybrid aus diesem und mindestens drei anderen Sorten; fast alle hatten große Früchte, die größten hatte der Urapfelbaum aus Kasachstan.

Solche - oft zufällige – Vermischungen hat der Mensch wohl unbewusst mitverursacht. Er hat die wilden Uräpfel als Handelsware auf der Seidenstraße von Zentralasien westwärts gebracht. Auf dieser Route kam die Pflanze in Kontakt mit anderen wilden Sorten und vermischte sich. Als der Mensch begann, den Apfel gezielt anzupflanzen, bediente er sich an den schon in der Natur entstandenen Hybriden.

Er wählte jene Bäume, die die wünschenswertesten Früchte lieferten, und pflanzte ihre Samen. Gegebenenfalls wurden die Pflanzen veredelt, aber nur selten Sorten gezielt gekreuzt bzw. echte Zucht betrieben. Deswegen hat sich der Apfel genetisch in den vergangenen Jahrtausenden relativ wenig verändert, auch wenn er so unterschiedlich aussieht. Die große Apfelvielfalt verdankt der Mensch vor allem der Natur und ihren Zufällen.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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