Weizen vom Mittelmeer dominiert die Welt

Weizen ist eines der bedeutendsten Lebensmittel weltweit. Von der früheren Sortenvielfalt ist allerdings nicht mehr viel übrig, wie eine französische Studie zeigt. Vielmehr dominiert Saatgut aus dem Mittelmeerraum die Welt – von Amerika bis China.

Weizen wird auf rund 220 Millionen Hektar angebaut, damit liegt er noch vor Mais und Reis auf Platz eins der globalen Statistik. 15 Prozent der weltweit verzehrten Kalorien kommen aus Weizenprodukten wie Brot oder Nudeln. Globaler Anbau würde eine große Vielfalt an Sorten vermuten lassen – die Studie von Etienne Paux und Team im Fachjournal „Science Advances“ zeigt das Gegenteil: Die heute gebräuchlichen Weizensorten basieren demnach großteils auf Saatgut aus Südeuropa und dem Mittelmeerraum. „Die Vielfalt in Asien hat kaum Spuren hinterlassen“, so Genetiker Paux vom Nationalen Forschungszentrum für Landwirtschaft in Frankreich.

Vielfältiges Erbgut, viele Sorten

Wie vielfältig das Erbgut von Weizen grundsätzlich ist, zeigen die Grunddaten der aktuellen Studie. 4.500 Proben aus insgesamt 105 Ländern sind in die Erbgutanalyse eingeflossen, darunter waren alte regionale Sorten wie auch moderne Züchtungen. Der Siegeszug der Sorten aus dem Mittelmeerraum hat im 20. Jahrhundert mit dem Aufschwung moderner Züchtungstechniken begonnen. „Es gibt mehrere Faktoren, die zusammengespielt haben“, so Etienne Paux.

Er nennt aber zwei Ereignisse, die sich besonders stark die genetische Vielfalt des Weizen verändert haben: In Mexiko werden in den 1940er Jahren am International Wheat and Maize Improvement Center neue Sorten gezüchtet. Die mexikanischen Forscher verwenden hauptsächlich Saatgut aus Spanien und Südosteuropa, sie machen das Getreide ertragreicher und widerstandsfähiger gegen Schädlinge. Die neuen Sorten verbreiten sich daraufhin rund um den Globus.

Mehrere Weizensorten

Etienne Paux

Weizen ist äußerst vielfältig, auf den Feldern finden sich aber meist nur wenige Sorten.

Dass auch in China heute ursprünglich europäischer Weizen wächst, ist hingegen auf ein anderes Ereignis zurückzuführen: Anfang des 20. Jahrhunderts kommt Saatgut des italienischen Pflanzenzüchters Nazareno Strampelli nach China. Er arbeitet mit Saatgut aus Italien und vom Balkan, und das prägt die chinesische Landwirtschaft bis heute: Der Weizen auf chinesischen Feldern geht zu einem erheblichen Teil auf dieses Saatgut zurück, so Etienne Paux.

Plädoyer für mehr Vielfalt

Vereinfacht könne man sagen, dass die „Grüne Revolution“, also die Industrialisierung der Landwirtschaft beginnend mit einer professionalisierten Pflanzenzüchtung ab Beginn des 20. Jahrhunderts, für den Siegeszug des Mittelmeer-Saatguts verantwortlich ist. Die Forscherinnen und Forscher haben in ihrer Studie versucht, das Brachliegen genetischer Vielfalt zu beziffern. „Wir können sagen, dass die Hälfte grundsätzlich vorhandener Sorten in modernen Züchtungsprogrammen für Weizen nicht verwendet wurden“, so Studienleiter Paux im Interview mit Ö1.

Die Forscher plädieren dafür, vor allem die Vielfalt in Asien stärker für Züchtungen zu nutzen. Manche Weizensorten sind widerstandsfähiger gegen Schädlinge und Trockenheit – möglicherweise große Vorteile in Zeiten des Klimawandels.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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