Die Erfolgsformel für Filmkarrieren

Britische Mathematiker haben die Karrieren von 2,4 Millionen Schauspielern und Schauspielerinnen durchleuchtet – und daraus eine Erfolgsformel abgeleitet. Kurios: Die Ergebnisse der Studie sollen jetzt auch verfilmt werden.

Das Buch der Natur, so notierte einst Galileo Galilei, ist in mathematischen Zeichen geschrieben. Den Satz kann man wohl auch heute noch so stehen lassen, diskutieren ließe sich allenfalls, ob diesem Buch nicht auch das eine oder andere Kapitel aus der Rubrik „Gesellschaft“ hinzuzufügen wäre. Denn seit einigen Jahren betreiben Netzwerkforscher immer häufiger Sozialwissenschaft mit mathematischen Werkzeugen. Aktuell etwa im Fachblatt „Nature Communications“, wo ein Team um den britischen Mathematiker Oliver Williams über Erfolg und Misserfolg im Filmgeschäft berichtet.

Wer hat, dem wird gegeben werden

Ein Muster, das Williams und seine Mitarbeiter nach Auswertung von 2,4 Millionen Schauspieler(innen)-Karrieren der Jahre 1888 bis 2016 festgestellt haben, ist bereits aus anderen Branchen bekannt. Es lautet: Erfolg erzeugt Erfolg. Beziehungsweise in Bibelworten: Wer hat, dem wird gegeben werden.

Zeremonie: Robert de Niro überreicht Cate Blanchett den Screen Actors Guild Award

Frank Micelotta/Invision/AP

Um Stars wie Robert de Niro und Cate Blanchett muss man sich also keine Sorgen machen, sie beherrschen ihre Kunst und lassen mit ihrer Strahlkraft regelmäßig die Kassen klingeln. Interessanterweise gilt das „Rich-get-richer phenomenon“, wie das die Forscher in ihrer Studie nennen, nicht nur für Darsteller der Güteklasse de Niro oder Blanchett. Erfolg im Filmgeschäft ist laut Williams‘ Analysen oft einfach den Umständen geschuldet. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein: Leuchtet das Rampenlicht erst mal gleißend hell, dann ist der Rest der Karriere ein Selbstläufer. Jedenfalls statistisch betrachtet.

Das ist allerdings nicht die einzige Form von Erfolg, die sich die Forscher von der Queen Mary University of London angesehen haben. „Für die Mehrheit aller Schauspielerinnen und Schauspieler sind Oscars oder Sterne auf dem Walk of Fame unwichtig. Sie wollen einfach ihren Lebensunterhalt verdienen – das ist vermutlich ein besseres Kriterium, um Erfolg in diesem harten Geschäft zu quantifizieren“, sagt Williams. Der Traum von der Filmkarriere bleibt in den allermeisten Fällen ein solcher, wie die Statistik zeigt: Nur zwei Prozent der Darsteller konnten von der Schauspielerei tatsächlich leben. Bei knapp 70 Prozent endete die Karriere im selben Jahr, in dem sie begonnen hatte.

Gender-Bias Im Filmgeschäft

Der britische Forscher hat aus den 2,4 Millionen Einträgen in der Internet Movie Database (IMDb) auch ein mathematisches Modell destilliert – und kann nun mit 85-prozentiger Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob das produktivste Jahr eines Schauspielers, einer Schauspielerin noch bevorsteht oder nicht. Das Geschlecht spielt bei dieser Frage offenbar eine Rolle, denn Williams hat in den Daten auch einen Gender-Bias entdeckt: Die Karrieren von Männern dauern in der Regel länger. Und sie haben auch größere Chancen als Frauen, nach längeren Durststrecken wieder eine Rolle zu ergattern.

Womit nun durch Zahlenmaterial bewiesen ist, was in dieser Branche schon längst für Unmut sorgt. Vor allem Hollywoodproduktionen reproduzieren Jahr für Jahr das gleiche klischeehafte Erzählmuster, Darstellerinnen haben jung zu sein, für ältere Frauen gibt es keinen Bedarf. Helen Mirren hat das 2010 – also noch vor der MeToo-Debatte – folgendermaßen ausgedrückt: „Ich habe viele brillante Kolleginnen erlebt, die bis zu ihren 40ern nonstop gearbeitet haben. Und mit 50 waren sie plötzlich in der Wüste.“

Immerhin: Die Drehbauchautorin Maria Ruiz hat sich von der Studie inspirieren lassen und arbeitet nun an einem Skript, das Ungerechtigkeiten im Filmgeschäft thematisiert. Die Story geht so: Eine arbeitslose Schauspielerin versucht ihr Comeback, zunächst erfolglos – doch dann trifft sie einen Wissenschaftler, der ihre Karriere mit Netzwerktheorie wieder in Schwung bringt. Ob das auch in der Realität funktionieren könnte, will Williams nicht beurteilen. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine große Hilfe wäre. Aber ich hoffe, der Film wird ein Erfolg.“

Robert Czepel, science.ORF.at

Mehr zu diesem Thema: