Was gegen Technostress hilft

Hunderte unbearbeitete Mails, der Computer hängt sich dauernd auf, das Handy hört nicht auf zu läuten: Technostress ist heute weit verbreitet. Tipps, wie man sich dagegen wehren kann, gaben heute Experten bei einer Tagung in Wien.

Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck geht in die Höhe und Stresshormone werden ausgeschüttet. Wenn Smartphones, Computer oder intelligente Staubsauger nicht so funktionieren, wie sie sollen, oder andauernd Nachrichten aus der Arbeit am Display aufscheinen, kann sich das auf den Körper auswirken. In der Fachwelt spricht man von Technostress.

„Es beschreibt eine Stressform, die immer dann entsteht, wenn Menschen mit digitalen Technologien interagieren. Es gibt auch manche Stressformen, die schon allein dadurch entstehen, dass wir heutzutage eine Allgegenwärtigkeit solcher digitalen Technologien haben“, erklärt der Wirtschaftsinformatiker René Riedl von der FH Oberösterreich. Letzteres ist vor allem dann der Fall, wenn man sich durch Roboter und Programme in seiner Existenz bedroht fühlt, etwa weil sie die Arbeit übernehmen könnten, ergänzt der interdisziplinäre Wissenschaftler.

Mann mit Laptop und Handy

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Hohe Cortisolwerte durch Technostress

Wenngleich Stress nicht per se schlecht ist, kann dauerhafter digitaler Stress den Stresshormonspiegel in ungesunde Höhen treiben. Vor allem andauernd hohe Cortisolwerte sind problematisch, so Riedl. „Die Wahrscheinlichkeit für Herzkreislauferkrankungen, wie Schlaganfälle, Herzinfarkt usw. steigt. Aber auch einfachere Dinge wie Schlaflosigkeit sind eine negative Konsequenz von zu hohen Cortisolwerten.“

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Tagungsinfo

Vom 4.- 6. Juni tagen Wissenschaftler des Forschungsnetzwerks „NeuroIS Society“ in Wien. Der gemeinnützige Forschungsverein wurde 2018 in Wien gegründet und setzt sich aus internationalen Forschern zusammen, die die Interaktionen zwischen Mensch und Computer untersuchen.

Man muss aber nicht auf sein Smartphone und Tablet verzichten, um Technostress zu vermeiden. Vielmehr kann man sich selbst einen Gefallen tun und zum Beispiel darauf achten, wann man seine E-Mails bearbeitet. „Eine sehr wirksame Strategie ist es, sich täglich drei bis vier Zeitfenster zu reservieren, um dann die E-Mails abzuarbeiten.“

Das E-Mail-Programm permanent offen zu haben und die E-Mails immer unmittelbar wie in einem Chat zu beantworten, löst hingegen eine Art Teufelskreis aus. Es stresst nicht nur mehr und lenkt ab, wenn immer wieder E-Mails auf dem Bildschirm hereinflattern, schnelles Antworten wie im Chat führt auch dazu, dass tendenziell mehr E-Mails hereinkommen, so das Ergebnis einer Studie. „Sie generieren dadurch nämlich Erwartungen bei Ihrem Kommunikationspartner. Wenn Sie dann ein, zwei Tage nicht antworten, ist das für den anderen schwer zu akzeptieren.“

Ein Mann sitzt in einem Auto am Steuer und hält ein Smartphone in der Hand

APA/dpa/Monika Skolimowska

IT-Wissen und Entspannungsübungen

Auch Entspannungsübungen einmal in der Woche können laut einer Studie das Stresslevel senken. „Der Mensch aktiviert dabei im Idealfall den parasympathetischen Teil des autonomen Nervensystems. Das bewirkt, dass die Ausschüttung von Stresshormonen oder auch andere physiologische Reaktionen heruntergefahren werden.“ So half es den Teilnehmern in einer Studie, als sie drei Monate lang einmal wöchentlich Tai-Chi machten, ihr Technostresslevel zu senken.

Auch wer sich mehr mit Computern und anderen digitalen Geräten auskennt, weiß eher, was bei Problemen zu tun ist und bleibt entspannter, so Riedl. Zudem sollte man darauf achten, dass installierte Programme und Updates mit dem Handy und PC kompatibel sind. Dass ein Gerät immer wieder ins Stocken kommt, kann auch damit zu tun haben, dass der Speicherplatz zu klein ist oder das Gerät das Update nicht mehr schafft. In diesem Fall könnte man auf das Update verzichten oder das Gerät aufrüsten, erklärt Riedl.

Vision: Technostresssensor

Abgesehen davon arbeitet Riedel aber noch an einer ganz anderen Vision: Ein Technostresssensor. „Menschen zeichnen mit Smart Watches zum Beispiel ständig auf, wie sie schlafen, wie viele Schritte sie machen, wie ihr Puls ist oder wie viel Kalorien sie verbrauchen. Aus diesen physiologischen Daten könnte man einen Parameter herausrechnen, der etwas über das Stresslevel aussagt.“

Zudem soll das Programm auch äußere Faktoren mit hineinrechnen, wie etwa die Anzahl an unbeantworteten E-Mails. „Hat jemand dann etwa dutzende unbeantwortete Mails könnte der Algorithmus den Posteingang sperren und alle neuen E-Mails an einen Kollegen weiterleiten, der diese auch bearbeiten könnte.“

Rechtlich gesehen ist so etwas derzeit nicht erlaubt, betont Riedl. Dennoch will der Wirtschaftsinformatiker an der Idee weiterarbeiten und auch untersuchen, ob ein solcher Technostresssensor von den Menschen akzeptiert werden würde. „Wir sind hier wirklich noch am Anfang und die Frage ist, ob es so einen Sensor überhaupt jemals geben wird.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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