Warum Darwinfinken das Singen verlernen

Eigentlich sollten männliche Singvögel potenzielle Partnerinnen mit ihren Sangeskünsten anlocken. Doch die Darwinfinken auf den Galapagosinseln werden zunehmend unmusikalischer. Schuld daran ist ein Parasit.

Als Charles Darwin anno 1835 die Finken auf den Galapagosinseln erstmals beschrieb, hätte er sich wohl auch nicht träumen lassen, dass gerade diese Vögel einmal seinen Namen tragen und in Biologie-Lehrbüchern zu einiger Prominenz kommen würden. Über die Darwinfinken berichten diese Woche auch die „Proceedings“ der Royal Society, wenngleich der britische Naturforscher mit dieser Studie eher wenig Freude gehabt hätte. Denn die Singvögel sind akut bedroht, das gilt besonders für den sogenannten Mittelbaumfinken, dessen Population derzeit pro Jahr um ca. zehn Prozent schrumpft.

Junger Darwinfink

Dr Katharina Peters, Flinders University

Die überlebenden Jungvögel haben zu große Nasenlöcher

Hauptverantwortlich dafür ist ein Parasit namens Philornis downsi: Die Fliegenart wurde in den 1960er Jahren auf Schiffen eingeschleppt – vermutlich vom südamerikanischen Festland aus oder von Trinidad – und tötet mittlerweile so viele Jungvögel, dass Ökologen Schwierigkeiten haben, überhaupt noch Nester mit lebendigen Küken zu finden.

Falsche Tonlage, verwirrte Weibchen

Der österreichischen Verhaltensforscherin Sonia Kleindorfer ist schon vor Jahren aufgefallen, dass die wenigen überlebenden Mittelbaumfinken wegen des Parasitenbefalls vergrößerte Nasenlöcher oder sogar verformte Schnäbel haben. Das wäre an sich nur ein anatomisches Detail, allenfalls berichtenswert für Spezialisten im Fach Ornithologie, wenn da nicht die Partnerwahl wäre: Die Finken brauchen die Schnäbel nämlich, um ihre Partnerinnen mit lautstarkem Gezwitscher anzulocken.

Im Fall der Mittelbaumfinken gleicht dieser Paarungsruf einem hohen „Tütütü“. Doch wie Kleindorfer herausgefunden hat, schaffen es die Vögel nicht mehr, sich gesanglich in solche Höhen aufzuschwingen, sie zwitschern wegen der vergrößerten Nasenlöcher eine Tonlage zu tief. Was wiederum bei ihren potenziellen Partnerinnen nicht so gut ankommt. Die zeigen den Männchen nämlich die kalte Schulter.

Hörbeispiel: Finken in normaler und zu tiefer Tonlage

Und wenn sie doch reagieren, dann herrscht große Verwirrung, da sie die Gesänge offenbar nicht mehr vom nahe verwandten kleinen Baumfinken unterscheiden können und ihre Partner immer häufiger im „falschen“ Bewerberfeld auswählen. Die Folge: Die beiden Arten verschmelzen gegenwärtig zu einer Hybridform, wie Kleindorfer in den „Proceedings“ der Royal Society schreibt.

Rettung durch parasitische Wespe?

Dieser Befund beinhaltet auch eine bittere historische Pointe. Charles Darwin führte die Finken auf den Galapagos-Inseln einst noch als Beleg für seine Evolutionstheorie und für die Entstehung neuer Spezies aus einer Stammart an, jetzt könnte er bloß noch diagnostizieren: Der Vorgang kehrt sich um, die Vielfalt schwindet wieder. „In 100 Jahren wird es den Mittelbaumfinken nicht mehr geben, wenn wir kein Mittel finden, den Parasiten loszuwerden“, prognostiziert Kleindorfer.

Ganz hoffnungslos ist die Lage freilich nicht. Die Vermehrung der Parasiten ließe sich etwa eindämmen, indem man regelmäßig sterilisierte Fliegenmännchen in der Natur aussetzt. Nachhaltiger und natürlicher wäre indes ein Ansatz, den derzeit US-Biologen in Kooperation mit der Uni Wien verfolgen: Sie wollen die Parasiten mit Hilfe der Wespe Conura anullifera bekämpfen. Die Wespe legt ihre Eier in den Fliegenlarven ab, sie ist also ein Parasit am Parasiten. Sollte diese Methode zum Erfolg führen, hätte sie wohl auch einen Vermerk in Lehrbüchern verdient, als Beispiel dafür, dass Reparaturen im Ökosystem möglich sind, sofern man an der richtigen Stellschraube dreht. Die Fauna und Flora der Galapagosinseln zählt seit 1978 zum UNESCO-Weltnaturerbe.

Robert Czepel, science.ORF.at

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