Enzym-Trick: Forscher erzeugen Universalblut

Blutkonserven können Leben retten. Dabei ist es wichtig, dass die Blutgruppe des Spenders mit der des Empfängers zusammenpasst. Kanadische Wissenschaftler haben nun Enzyme entdeckt, die Spenderblut der Blutgruppe A in den Typ 0 umwandeln.

Kommen Blutkonserven der Gruppe A in den Kreislauf eines Empfängers mit Blutgruppe B, wird eine potentiell lebensgefährliche Immunreaktion ausgelöst. Die Blutzellen werden zerstört sobald das Immunsystem Zuckermoleküle, sogenannte Antigene, an ihrer Zelloberfläche als „fremd“ erkennt.

Antigene der Blutgruppen A und B sind unterschiedlich und kommen bei der Blutgruppe AB zusammen vor. In der Blutgruppe 0 fehlen sie. Blutspenden der Gruppe 0 sind für alle Empfänger verträglich, denn das Immunsystem wird nicht mit „fremden“ Antigenen konfrontiert. Menschen mit der Blutgruppe AB indes können Spenden von allen Blutgruppen empfangen, weil beide Antigene im eigenen System vorkommen.

Begehrte Blutgruppe 0

Da Spenderblut der Gruppe 0 in jeden Organismus ohne Abwehrreaktion aufgenommen wird, kann es in Notsituationen ohne vorherige Blutgruppentests transfusioniert werden und ist sehr gefragt.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 13.6., 12:00 Uhr.

Kanadische Forscher haben nun Enzyme entdeckt, die Antigene von Blutzellen des Typs A besonders effektiv entfernen können, die Arbeit wurde diese Woche im Fachblatt “Nature Microbiology“ veröffentlicht. „Blutgruppe A kommt am häufigsten vor. Deshalb war es für uns erstmal am spannendsten nach Enzymen zu suchen, die Antigene des Typs A schnell und effektiv abspalten, um Blutzellen des Typs 0 herzustellen“, erklärt Peter Rahfeld, Biochemiker an der University of British Columbia.

Enzyme aus dem Darmmikrobiom

Gesucht haben die kanadischen Forscher nach den Enzymen an einem auf den ersten Blick eher ungewöhnlichen Ort, nämlich in menschlichen Darmbakterien. Warum gerade gerade dort, erklärt Rahfeld so:

„Die Oberfläche der Darmwand enthält viele Zuckermoleküle, die den Bakterien unter anderem als Nahrungsquelle dienen. Sie spalten die Zuckermoleküle also ab und verstoffwechseln sie. Einige dieser Zuckermoleküle sind Blutgruppen-Antigene.“ Deshalb vermuteten die Wissenschafter, dass es im Darmmikrobiom auch Bakterien geben könnte, die mit ihren Enzymen Blutgruppenantigene abschneiden.

Flotte Umsetzung

Tatsächlich gelang es den Forschern, aus den Darmbakterien eines Spenders der Blutgruppe AB eine bisher unbekannte Enzymgruppe zu extrahieren, die Antigene des Typs A 30-mal effektiver abspaltet als andere, ähnlich arbeitende Enzyme.

Laut Rahfeld brauchen sie für einen halben Liter Spenderblut des Typs A etwa eine Stunde für die Umwandlung zu Typ 0. „Das ist besonders schnell. Weil auch weniger Enzym eingesetzt werden muss als bei bereits bekannten Enzymen, ist es zudem preisgünstiger“, erklärt der Biochemiker.

Zusätzlich können die neuen Enzyme direkt zu den Blutzellen, genauer: den Erythrozyten des Spenders gegeben werden und mit dem Abspalten der Zuckermoleküle beginnen, so Rahfeld. Das sei mit bekannten Enzymen, die unter aufwändigeren Bedingungen eingesetzt werden müssen und spezielle Puffer für die Reaktion benötigen, bisher nicht möglich gewesen.

Offene Fragen

Bevor die schnellen Enzyme in klinische Anwendung kommen können, gilt es allerdings noch einige Fragen zu klären. „Es muss natürlich sichergestellt sein, dass das umgewandelte Blut im Empfänger keine unvorhergesehenen Reaktionen auslöst“, so der Forscher.

Außerdem müsse noch genau untersucht werden, ob die umgewandelten Erythrozyten nach wie vor genügend Sauerstoff transportieren können, meint Rahfeld. Zudem spiele bei der Verträglichkeit von Bluttransfusionen noch der Rhesusfaktor eine Rolle, die es zu beachten gelte. In jedem Fall wollen die kanadischen Forscher im Darmmikrobiom noch Enzyme finden, die auch Blutgruppe B in die universale Spendergruppe 0 umwandeln können.

Geraldine Zenz, Ö1-Wissenschaft

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