Glyphosat-Totalverbot in Österreich nicht möglich

Ein Totalverbot des Unkrautvernichters Glyphosat ist in Österreich nicht möglich, da dies gegen EU-Recht verstoßen würde. Der Einsatz einzelner Produkte kann aber - auch deutlich - eingeschränkt werden.

Das ist das zentrale Ergebnis der „nationalen Machbarkeitsstudie zum Glyphosatausstieg“ der Universität für Bodenkultur (Boku). Zudem konnte kein erhöhtes Risiko zu vergleichbaren anderen Pestiziden festgestellt werden. Pikant: Am Dienstag soll über ein Glyphosat-Verbot im Nationalrat abgestimmt werden.

Auswirkungen umstritten

Für die Untersuchung wurden von Boku-Wissenschaftlern unter Mitarbeit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) 400 bestehende Studien erneut ausgewertet. Zudem gab es unter anderen Workshops mit Experten und Modellanalysen. Eine neue Studie über den Wirkstoff Glyphosat wurde aber nicht durchgeführt, da dies bereits seitens der EU umfangreich geschehen ist, erläuterte Siegrid Steinkellner, Studienautorin und Abteilungsleiterin für Pflanzenschutz an der Boku.

Die Auswirkungen von Glyphosat sind umstritten: Während etwa die europäische Lebensmittelbehörde Efsa das Pestizid für unbedenklich hält, wurde es von der International Agency for Research on Cancer (IARC) als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Steinkellner gab aber zu bedenken, dass auf dieser Liste - neben anderen Chemikalien - auch Nachtarbeit, heiße Getränke und rotes Fleisch zu finden sind. „Wer am Wochenende gegrillt hat, hat sich vielen Gefahren ausgesetzt“, meinte die Wissenschaftlerin.

Ein Landwirt versprüht auf einem Feld ein Pflanzenschutzmittel.

APA/DPA/Arne Dedert

“Kein Rückgang der Biodiversität“

Die Eckpunkte der Machbarkeitsstudie halten Glyphosat demnach auch nicht für gefährlicher als vergleichbare Pestizide. Die Rückstandsdaten der erhältlichen Produkte ließen auf „keine Gefahr für die menschliche Gesundheit“ schließen. Von 1.124 in Österreich untersuchten Lebensmittelproben aus konventioneller Produktion lag eine Probe (Honig) über dem Rückstandshöchstgehalt. In 92 Prozent der Proben waren keine Rückstände bestimmbar.

Zudem würden keine gesicherten Belege vorliegen, dass „Glyphosat die Artenvielfalt stärker beeinflusst als andere Maßnahmen zur Unkrautregulation“. „Die analysierten Studien über Glyphosat-Effekte auf Pflanzen, Mikroorganismen und Tiere ergeben keinen fachlich fundierten Rückschluss auf einen Rückgang der Biodiversität durch Glyphosat-Einsatz“, heißt es in dem Bericht.

Dazu gibt es aber auch viele Gegenstimmen, die meinen, dass der Wirkstoff Umwelt und Tieren tatsächlich schadet. Johann Zaller, ein Boku-Kollege von Steinkellner, etwa beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit diesen Auswirkungen auf sogenannte Nicht-Zielorganismen.

Wirklich alternativlos?

Laut der BOKU-Machbarkeitsstudie gebe es im Ackerbau „keine alternativen Herbizide mit vergleichbarer Wirkungsbreite“. Modellergebnisse hätten gezeigt, dass alternative Behandlungsverfahren negative ökonomischen Auswirkungen hätten. Die Änderungen im Deckungsbeitrag auf den Anwendungsflächen würden demnach bei günstigen Bedingungen bis zu minus neun Prozent, und bei ungünstigen Bedingungen bis zu minus 74 Prozent betragen.

Alternativen gibt es freilich dennoch – diese erfordern allerdings ein grundsätzliches Umdenken in der Landwirtschaft. So ist der abwechselnde Anbau verschiedener Kulturpflanzen, die sogenannte Fruchtfolge, eine Möglichkeit, Unkraut ohne chemisch-synthetische Mittel zu bekämpfen. Eine andere sind mechanische Methoden – mit Hilfe moderner Geräte können Unkrautpflanzen von ihren Wurzeln getrennt werden, worauf etwa die Umweltschutzorganisation Greenpeace hinweist.

Ein Bauer hält einige Körner Winterweizen in der Hand.

dpa/Julian Stratenschulte

Einsatz kann stark eingeschränkt werden

Das Totalverbot ist aber schon rein rechtlich nicht möglich: Ein „nationaler Alleingang“ wäre nur unter zwei Bedingungen durchführbar. Es müssten neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorgelegt werden, die bei der EU-weiten Zulassung von Glyphosat 2017 nicht bekannt waren. Oder es müssten spezielle Probleme etwa für Umwelt oder Gesundheit nachgewiesen werden, die es nur in Österreich, aber in keinem anderen EU-Staat, gibt.

Die Machbarkeitsstudie räumt aber sehr wohl ein, dass der Einsatz von Glyphosat eingeschränkt werden kann. Zwar kann der Wirkstoff nicht verboten werden, aber der Einsatz einzelner Produkte - etwa bei der privaten Nutzung - eingeschränkt werden.

Dass die Studie just einen Tag vor der Abstimmung über ein Glyphosatverbot im Nationalrat vorgestellt wurde, war Steinkellner zufolge nicht geplant. Das Team habe ein Jahr lang „unter Hochdruck gearbeitet“, am Freitag habe der Direktor die Studie frei gegeben. Danach wollte man die Ergebnisse „schnellst möglichst“ kommunizieren.

Greenpeace: Verbotsantrag ist „rechtskonform“

Greenpeace bekräftigt derweil ihre Forderung nach einem vollständigen Glyphosat-Verbot in Österreich. Die Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung sei ein „durchschaubares politisches Manöver“. Die Europäische Kommission habe nationale Verbote mehrfach zugesichert. Die Umweltschutzorganisation fordert von den Parteien im Parlament, am Dienstag für ein vollständiges Verbot zu stimmen.

Dies sei rechtskonform; der Antrag sehe die Möglichkeit eines Einspruchs der Europäischen Kommission im Rahmen der sogenannten “Notifizierung” vor. Demnach würde das vollständige Verbot in Österreich erst nach offizieller Zustimmung der Europäischen Kommission in Kraft treten.

science.ORF.at/APA

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